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Klassiker im Mediabook: 3:15 - DIE STUNDE DER COBRAS

Kriminelle Jugendliche an Schulen waren im US-Genrekino der späten 70er bis Mitte der 80er Jahre allenthalben anzutreffen. „Die Klasse von 1984“ (1982) mit einem jungen Michael J. Fox um die Auseinandersetzung einer Punkergang mit einem Musiklehrer oder auch „Der Prinzipal – Einer gegen alle“ (1987) mit James Belushi als hart durchgreifendem Rektor erlangten dabei mit die größte Berühmtheit. In deren Schatten steht mit 3:15 – DIE STUNDE DER COBRAS ein blutiger, aber nicht weniger kultiger Thriller, der bei Wicked Vision Media kürzlich im Mediabook (mit Essay von Christoph N. Kellerbach) veröffentlicht wurde.

Als Jeff Hannah (Adam Baldwin) eine nächtliche Aktion von Cinco (Danny De La Paz) zu weit geht, verlässt er die Bande der „Cobras“. Ein Jahr später dealt die Gang mit Drogen an der versifften High School, bis bei einer Razzia sämtliche Mitglieder verhaftet werden. Da man ihnen nichts nachweisen kann, kommen sie wieder auf freien Fuß – und Cinco will sich an dem vermeintlichen Verräter Jeff rächen. Am Nachmittag um 15.15 Uhr kommt es auf dem Gelände der geschlossenen High School zum Showdown auf Leben und Tod…

Der Plot ist simpel und kämpft mit einigen fragwürdigen Konstruiertheiten: Wo ist etwa die Polizei, wenn wirklich jeder über das angekündigte Duell Bescheid weiß und das abgeriegelte Schulgelände nachmittags aufgebrochen wird? Trotzdem macht 3:15 – DIE STUNDE DER COBRAS Spaß: Der kurzweilige Streifen ist mit diversen, wenn auch wenig einprägsamen Rocksongs unterlegt, die etwas schnoddrig geratene deutsche Synchronisation setzt auf recht frei übersetzte tierische Beleidigungen („Ochse“, „Seuchenvogel“) und Charakterkopf Ed Lauter („Cujo“) ist als lässig-stumpfer Polizei-Lieutenant sowieso der Coolste: „Darum bin ich auch Polizist geworden, nicht Lehrer. Bei uns kann man ab und zu lachen“, sagt er mit verschmitztem Grinsen zum angepissten Direktor. Vor allem ein Blick auf die Nebenrollen lohnt: Der spätere Filmemacher (New Jack City“) und „Highlander III“-Bösewicht Mario Van Peebles hat im luftigen Kaki-Overall und mit Barett eine Nebenrolle als potenzieller Unterstützer von Jeff, Gina Gershon („Showgirls“, „Bound – Gefesselt“) spielt eine zwielichtige Bitch mit Lederoberteil und dunkler Mähne. 

Die vorliegende 2-Disc Limited Collector‘s Edition hält die europäische HD-Premiere des Films und als Boni den deutschen Kinovorspann, mehrere Trailer, einen Audiokommentar sowie ein 12-minütiges Interview mit Danny De La Paz bereit. Dabei verrät er, dass er in derselben Schauspielklasse saß wie Deborah Foreman, die im Film Jeffs Freundin spielt. Doch warum er dabei die ganze Zeit einen albernen blau-weißen Hut mit tiefsitzender Krempe trägt, bleibt offen.

LUTZ GRANERT

Titel: 3:15 – DIE STUNDE DER COBRAS - 2-Disc Limited Collector‘s Edition (Cover A)
Label: Wicked Vision Media
Land/Jahr: USA 1986
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 85 Min. (Bluray) / ca. 81 Min. (DVD)
Verkaufsstart: veröffentlicht

Wicked Vision Media, Kriminalität, High school, mediabook, film, klassiker

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Horror-Klassiker neu im Heimkino: THE PIT AND THE PENDULUM

Im Spanien des ausgehenden 15. Jahrhunderts regiert noch die Heilige Inquisition: Vermeintliche Ketzer und Hexen müssen um ihr Leben bangen. In dieser düsteren Zeit versuchen der Bäcker Antonio (Jonathan Fuller) und seine Gewalt jeglicher Form verabscheuende Ehefrau Maria (Rona De Ricci) über die Runden und nicht mit dem gefürchteten Inquisitor Torquemada (Lance Henriksen) in Kontakt zu kommen. Doch der gnadenlose Vollstrecker der katholischen Kirche hat bereits einen Blick auf Maria geworfen und spürt die Lust in ihm aufsteigen – die bildhübsche Frau muss ihn verhext haben! Verzweifelt kämpfen Maria und Antonio ums Überleben, bis sich der junge Mann in einer perfiden Folterkonstruktion wiederfindet... 

Ob „Castle Freak“, „Demonic Toys“ oder „Puppet Master“: Seit 1988 liefert die unabhängige Produktionsschmiede Full Moon Pictures unter der Leitung von Charles Band unablässig in liebevoller Handarbeit produzierte Stoffe für Horror- und SciFi-Fans. So punktet auch THE PIT AND THE PENDULUM (deutscher Titel eigentlich: „Meister des Grauens“) vor allem mit seiner liebevollen Ausstattung. Das tiefste Mittelalter wird mit detailreichen Kostümen und in stimmig dekorierten Sets zum Leben erweckt, so dass ein authentisch anmutendes Zeitkolorit entstanden ist. Natürlich musste die sehr reduzierte, gleichnamige literarische Vorlage von Edgar Allan Poe etwas erweitert werden – schließlich fokussiert sich die Kurzgeschichte nur auf die individuelle Wahrnehmung eines im düsteren Kerker mit körperlichen und seelischen Qualen ringenden Verurteilten der Inquisition. Dies ist mit dem Plot um die Dreiecksbeziehung gut gelungen – auch wenn sie auf Dauer (bei den zahlreichen Konstellationen, wer wen aus dem Kerker zu befreien versucht) etwas redundant geraten ist.

Das bei Sammlern vollkommen zu Recht beliebte Label Wicked Vision Media, das die Produktionen von Full Moon Pictures und dem Vorgänger Empire Pictures im deutschsprachigen Raum auswertet, veröffentlicht THE PIT AND THE PENDULUM über drei Jahre nach seiner Bluray-Premiere in mehreren Mediabooks nun in der „Standard Edition“ im Scanavo-Case. Das Booklet und die Soundtrack-CD sind darin zwar nicht mehr enthalten, dafür ist die hervorragend ausgestattete Hauptfilm-Disc identisch. So verrät Charles Band in seiner damals neu aufgezeichneten Einführung in den Film etwa, dass sich das italienische Schloss, auf dem gedreht wurde, in seinem Besitz befand und John Carpenter („Die Klapperschlange“) unter Pseudonym am Schnitt mitwerkelte. Auch eine Folge des TV-Filmmagazins Videozone (entweder im 26-minütigen Original oder in der 14-minütigen Fassung mit deutschem Voice-Over) ist unter den Extras enthalten, in welchem etwa das Make-Up näher beleuchtet wird. Dadurch sahen Jonathan Fullers Gelenke tatsächlich so aus, als hätten Ratten daran genagt und Lance Henriksen musste für seine minimalistische Tonsur auch keine Haare lassen, sondern ihm wurde eine Latexmaske aufgesetzt. 

Kurzum: Der Independent-Horrorthriller in historischem Ambiente ist atmosphärisch dicht, von „Re-Animator“-Regisseur Stuart Gordon routiniert inszeniert, neben Lance Henriksen u.a. mit Jeffrey Combs („Re-Animator“) mit Genre-Ikonen besetzt, so dass kleine Schwächen in der Story zu verschmerzen sind.

LUTZ GRANERT

Titel: THE PIT AND THE PENDULUM – Standard Edition
Label: Wicked Vision Media
Land/Jahr: USA 1991
FSK & Laufzeit: ab 18, ca. 97 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht

Wicked Vision, Charles Band, Full Moon Pictures, Edgar Allan Poe, Die Grube und das Pendel

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Sean Penns erste Charakterrolle: BAD BOYS auf Bluray

Teenager Mick O’Brien (Sean Penn) ist ein Kleinkrimineller, der in Konkurrez mit einer puerto-ricanischen Gang um Paco Moreno (Esai Morales) steht. Als Michael nach einem missglückten Überfall in einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd Pacos kleinen Bruder überfährt, muss er eine Strafe im Jugendknast Rainford verbüßen. Er und sein Zellengenosse, Tüftler Horowitz (Eric Gurry) können sich erfolgreich gegen zwei Haudegen behaupten und steigen in der Hierarchie nach ganz oben. Doch Paco schwört Rache: Er vergewaltigt Micks Freundin J.C. (Ally Sheedy), wird dabei erwischt – und ebenfalls zum Absitzen seiner Strafe nach Rainford gebracht...

Lange Haare, verschlafener Blick und Bad-ass-Attitüde: In BAD BOYS aus dem Jahr 1983 brilliert der spätere Oscar-Preisträger Sean Penn („Milk“) mit süßen 22 Jahren in seiner ersten Charakterrolle, in der er das komplexe Innenleben eines mit Wut ringenden, verunsicherten Teenagers nach außen trägt. Ein weiteres bekanntes Gesicht ist Clancy Brown („Die Verurteilten“, „Dexter: New Blood“), der hier mit langer Matte und stierendem Blick Micks brachialen, „Wikinger“ genannten Konkurrenten Lofgren verkörpert.



Konzentriert sich BAD BOYS in der ersten Hälfte darauf, wie Mick sich mit seinem neuen, rauen Leben im Jugendknast zwischen Nicklichkeiten und einem motivierenden Punktesystem zurechtfindet, zieht „Halloween II“-Regisseur Rick Rosenthal danach die Spannungsschraube unerbittlich an. Bei der zunehmenden Eskalation zwischen Mick und Paco bis zum alles entscheidenden Duell, auf das es zwangsläufig hinausläuft (man beachte das Wendecover-Motiv der vorliegenden Special Edition), kann man die Luft förmlich schneiden.

Turbine Medien legt legt diese wenig bekannte Perle des Knastthrillers erstmals in HD-Qualität und in vier verschiedenen Schnittfassungen auf zwei Discs vor. Die längste Filmversion (die US-Kinofassung, die nicht synchronisierten Dialoge hier in Originalsprache mit deutschen Untertiteln) und die kürzeste (die deutsche Kinofassung) unterscheiden 15 Minuten – fast nur Dialoge wurden getrimmt. Warum, bleibt zumindest in der vorliegenden Blu-Ray-Veröffentlichung (einziges Extras darüber hinaus: ein Trailer und Audiokommentar von Rick Rosenthal) unbeantwortet. Wer dazu Näheres wissen möchte, erfährt das mutmaßlich in einer der beiden parallel veröffentlichten Mediabook-Editionen (mit Booklet über die Geschichte des Films).

LUTZ GRANERT

Titel: BAD BOYS – Special Edition
Label: Turbine Medien
Land/Jahr: USA 1983
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 123 Min. (längste Fassung)
Verkaufsstart: 01. Februar 

Sean Penn, bad boys, bluray

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Aki Kaurismäki als Romantiker? FALLENDE BLÄTTER im Heimkino

Ansa (Alma Pöysti) erbte ihre kleine Wohnung von ihrer Tante und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, ihr Bruder und ihr Vater haben sich totgesoffen. Holappa (Jussi Vatanen) ist ein wortkarger Bauarbeiter und Alkoholiker, der in zahlreichen Verstecken wie Schaltkästen seine Vorräte bunkert. Nur mühsam gelingt es seinem Kumpel Raunio (Martti Suosalo), ihn abends zum Mitkommen zum Karaoke in eine Kneipe zu motivieren. Hier begegnen sich zum ersten Mal flüchtig die Blicke zwischen Ansa und Holappa – mehr nicht. Irgendwann treffen sie sich wieder, gehen zusammen ins Kino. Aber anschließend wird der Zettel, auf dem sie ihm ihre Telefonnummer hinterlässt, vom Winde verweht...  

Wenn der finnische Regisseur Aki Kaurismäki eine Romanze erzählt, dann setzen keine kitschigen Streicher ein, begegnen sich die Liebenden nicht im emotionalen Freudentaumel – im Gegenteil. FALLENDE BLÄTTER kommt – trotz der allgegenwärtigen Schnapsflaschen – betont nüchtern und unterkühlt daher. Etwas anderes hat das Publikum, das seine Filme kennt („Der Mann ohne Vergangenheit“ oder „Le Havre“) auch nicht erwartet. Vor monochrom gestrichenen Wänden im Hintergrund (blau oder grün) reiht er seine Darsteller auf, deren Mienenspiel sich auf den freudlos wirkenden Gesichtern kaum abzeichnet.



Dass ausgerechnet Jim Jarmuschs Zombiefilmparodie „The Dead Don’t Die“ im Kino flimmert, ist kein Zufall: Ebenso langsam, zugleich aber schräg in seinen pointierten Dialogen ist FALLENDE BLÄTTER wieder auf brüske Art lakonisch. Besonders dann, wenn sich erzwungene Dialoge (über Fußball) ebenso wie stumpfe Lebensweisheiten ganz schnell wieder in Schweigen auflösen. Dann lauschen die Zuhörer in der Karaoke-Bar eher reglos und stumm finnischer Folklore.    

Die Menschen in Finnland seien eben wortkarg und Alkoholismus ein großes gesellschaftliches Problem, bemerken auch Alma Pöysti und Jussi Vatanen in einem 18-minütigen Bonusinterview, bei dem über Zwischentitel bald auch triviale Fragen wie Erinnerungen an den ersten Drehtag oder den Umgang mit dem Hund am Set gestellt werden. Sie bleiben leider neben 16 (!) Trailern zu anderen Filmen das einzige Extras auf der Blu-ray einer ebenso stillen wie stuckbefreiten Romanze aus der Arbeiterklasse, die gerade deshalb zu Herzen geht.

LUTZ GRANERT

Titel: FALLENDE BLÄTTER
Label: Pandora Film
Land/Jahr: Finnland/Deutschland 2023 
FSK & Laufzeit: ab 12, ca. 81 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht

Finnland, Fallende Blätter, Aki Kaurismäki, Cannes

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Erstmals als 4K-UHD und Blu-Ray: Roland Klicks Klassiker SUPERMARKT

Der Herumtreiber Willi (Charly Wierczejewski) ist ein Kleinkrimineller, der schon mal den Toiletten-Mann abzieht, um an etwas Bares zu kommen. Kein Wunder, dass er irgendwann einmal von der Polizei festgenommen, aufs Revier gebracht wird und kurz davor steht, ins Erziehungsheim gesteckt zu werden. Doch ihm gelingt im Trubel die Flucht. Er gerät an den Journalisten Frank (Michel Degen), der sich mit finanzieller Unterstützung und einem neuen Mantel seiner annimmt, aber zugleich nur daran denkt, wie er Willi für eine Story nutzen kann. Nachdem Willi an den dubiosen Kriminellen Theo (Walter Kohut) gerät, prostituiert er sich und wird von einem reichen Homosexuellen (Hans-Michael Rehberg) mit nach Hause genommen. Kann die Zufallsbekanntschaft Monika (Eva Mattes), mit der er eine Affäre beginnt, Willis scheinbar unaufhaltsamen Abstieg vermeiden?

Der im Hamburger Hafenviertel gedrehte, ungeschönte Mix aus Sozialdrama und Gangstertthriller gilt heute als Kultfilm. Roland Klick („Deadlock“) drehte an Originalschauplätzen und besetzte mit Charly Wierczejewski einen Laiendarsteller in der Hauptrolle, der selbst im Heim für Schwererziehbare aufwuchs und daher zahlreiche biografische Gemeinsamkeiten mit dem entwurzelten Protagonist aufweist. Die Nähe zum linken Milieu war jedoch während des Drehs von SUPERMARKT ein Problem: Charly Wierczejewski blieb schon mal ein paar Tage spurlos verschwunden, bevor er wieder auftauchte. Darin erinnert er sich in einem eigens aufgenommenen 24-minütigen Bonus-Interview – in dem er am Ende über die reißerisch-sleazigen Werbezeilen auf einem türkischen Filmposter schmunzelt. 



Auch Kameramann Jost Vacano ("RoboCop"-Regisseur Paul Verhoeven wurde durch SUPERMARKT auf ihn aufmerksam) kommt in einem Interview zu Wort und erklärt, wie er einen Kreiselstabilisator baute, um bei aller Beweglichkeit seiner mit besonders lichtsensiblem Objektiv ausgestatteten Handkamera und Identifizierung mit seinen Protagonisten allzu heftiges Gewackel zu vermeiden. Denn gerade die Authentizität und der hohe Grad an Realismus (und somit an natürlichem Licht) ist an SUPERMARKT das große Verdienst von Roland Klick – der den Titelsong „Celebration“ eines gewissen Marius West (später ungleich bekannter als Marius Müller-Westernhagen) im Film immer wieder einsetzte.

Ergänzend zu den genannten, vom Label Subkultur Entertainment selbst produzierten Extras - zu denen auch ein Audiokommentar von Roland Klick zählt - ist auf den beiden Scheiben (UHD und Blu-Ray des Films) dieser schicken Edition im Digipak u.a. auch der englischsprachige Vorspann enthalten. Nur der prätentiös-verklausulierte Essay vom Österreicher Paul Poet zu Roland Klicks Kino und dessen Einordnung in die deutsche Filmgeschichte im 20-seitigen Booklet kommt bisweilen arg selbstgefällig daher.  

LUTZ GRANERT

Titel: SUPERMARKT – Edition Deutsche Vita #20
Label: Subkultur Entertainment
Land/Jahr: BRD 1974
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 84 Min.
Verkaufsstart: 31. Januar

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