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Auf der Schlachtbank von Winnie The Pooh und seinen garstigen Freunden

Nach dem großen Erfolg von WINNIE THE POOH: BLOOD AND HONEY bringt PLAION PICTURES den gar nicht so niedlichen Honigbären erneut in die Lichtspielhäuser. Aber Vorsicht: Das ist nichts für Zartbesaitete. Denn in dem Horror-Hit WINNIE THE POOH: BLOOD AND HONEY 2 wird aufs Übelste geslasht!

Muss ein Teddybär immer süß und putzig sein? Der Film von Regisseur Rhys Frake-Waterfield beantwortet diese Frage mit einem klaren „Nein“ und entführt uns in ein gruseliges Märchenreich voller unerwarteter Wendungen und fesselnder Horrorelemente, die einen das Fürchten lehren.

Die allseits bekannte kindliche Figur Christopher Robin besucht gern im Hundert-Morgen-Wald seine tierisch-menschlichen Freunde. Diese sind das kleine Ferkel, der honigverrückte Pooh-Bär und der trantütige Esel I-Aah. Friede. Freude. Eierkuchen. Ganz viel Liebe. Das Leben ist so großartig. Dumm nur, dass aus Kindern zuerst Jugendliche, später Erwachsene werden. Das Interesse schwindet, life goes on, shit happens.

„Du hast geschworen, uns nie zu verlassen!“, brüllt es noch hinterher, aber Christopher Robin geht seiner Wege. Die allzu vermenschlichten Wesen sind fortan auf sich gestellt. Der Winter naht. Der Hunger nagt. Also muss I-Aah sterben, schließlich müssen Pooh und Ferkel mal was essen. Was tut man nicht alles fürs Überleben? Man erinnere nur an den Flugzeugabsturz in den Anden vor etlichen Jahrzehnten …

Die Tiere verändern sich auch, sie werden ebenso zu Erwachsenen. Aber es geht was schief. Und der Terror beginnt! Denn alle Menschen müssen für das einst begangene Unrecht, das gebrochene Versprechen sterben. Auch Robin, der seiner Angetrauten nun die damals noch friedlichen Wesen vom Morgenwald zeigen will, steht ganz oben auf deren Todesliste. Es wird in einem Blutbad enden.

Das zur Vorgeschichte, respektive Teil eins. Der britische Low-Budget-Streifen WINNIE THE POOH: BLOOD AND HONEY spielte trotz (oder wegen?) fünf Goldener Himbeeren das 45-Fache seines Produktionsvolumens Produktionsvolumens ein. Ein Jahr später folgt darum die Fortsetzung, die um Lichtjahre besser ist.

Gedreht im September und Oktober 2023, übertrifft der zweite Teil seinen Vorgänger deutlich. Der aktuelle Film überzeugt mit einer effektiven Story, die dank eines höheren Budgets noch spektakulärer ausfällt – noch mehr Adrenalin, mehr Spannung, und vor allem wurde nicht an originellen Morden und Kunstblut gespart. Man wird prächtig unterhalten, allein schon wegen der heftigen, comichaft-überzogenen, aber handgemachten Spezialeffekte. Als weiterer Teil in einem Horror-Universum geplant, wird die Slasher-Schraube knochenknackend angezogen. Regisseur Rhys Frake-Waterfield kündigte übrigens bereits spezielle – man ahnt, was er meint – Neufassungen von Peter Pan und Bambi an.

Kurz vorweg: In seiner Set-Piece-artigen Handlung erinnert der Streifen an viele Werke von Lucio Fulci, dem Großmeister des italienischen Genre-Kinos. In jeder Szene wird zuerst Spannung aufgebaut, die dann in teils heftigstem Gore aufgelöst wird. Also Vorhang auf für BLOOD AND HONEY 2.

Christopher Robin ist Arzt an einem Krankenhaus unweit des Waldes, der freilich der Ereignisse wegen zur No-go-Area erklärt wurde. Es gibt aber zahlreiche Unbelehrbare, die die Gefahr unterschätzen: Eine dreiköpfige Gruppe Redecks ist darunter. Sie wollen den Horror-Bären, Horror-Tigger und die neuerdings zur Party gehörende Horror-Eule erlegen. Das geht erwartungsgemäß gründlich in die Hose. Einem wird der Schädel halb weg geschossen, der andere bekommt die Schrotflinte durch den Kopf gestoßen, der dritte stirbt eines gar noch groteskeren Todes. Später erfahren wir als Zuschauer: Einer überlebt, wie durch ein Wunder, um im Krankenhaus, in dem Christopher Robin arbeitet, zu landen.

Zwei Szenen früher, der Beginn des Films: Drei hübsche Ladys veranstalten eine Séance in einem Wohnmobil mitten im Wald. Den Versuch, mit dem Jenseits Kontakt aufzunehmen, werden sie umgehend mit dem Leben bezahlen. Zerschmetterte Knochen, verbrannte Leiber, gepfählte Körper. Als Zuschauer stellt man fest: Einen Mädelsabend kann man besser verbringen.

Heftig. Kurz durchatmen. Manches erinnert schon an Torture-Porn-Streifen à la „Hostel“, „Martyrs“, „Frontiers“. Oder die fast unnötig ausgewalzten Gewalttätigkeiten der beiden Rob-Zombie-Halloween-Remakes.

Treibende Musik, gute Kameraarbeit und der rasante Schnitt sorgen für den nötigen Drive im 100-Morgen-Wald. Schreiende Frauen. Schreiende Männer. Blutbad. Und Christopher Robin? Der ist bös traumatisiert und wird psychologisch behandelt. Denn die Vergangenheit holt ihn schneller ein, als ihm lieb ist, als die drei mörderischen Killerkreaturen in WINNIE THE POOH: BLOOD AND HONEY 2 den heimatlichen Forst in Richtung Stadt verlassen, um ihr Trauma in frischem Blut zu ertränken. Kann der junge Mann Pooh und Co. stoppen?

Nun fragt man sich nicht zu Unrecht, wie der britische Regisseur Rhys Frake-Waterfield in der Lage war, dem Maus-Konzern die friedlichen Figuren zu entreißen. Schließlich ist Disney dafür bekannt, selbst lokale Unternehmen (und Kindergärten!) irgendwo auf der Welt zu verklagen, wenn sie deren Urheberrechte verletzen. Die Antwort fällt nicht leicht.

Das Walt-Disney-Franchise um Winnie Pooh und die meisten Hauptfiguren entstammt dem Kinderbuch „Pu der Bär“ (im Original „Winnie The Pooh“) von Alan Alexander Milne. Er entwickelte die Figur des Bären in den Jahren 1924 bis 1926. Walt Disney, Fan seines Werks, kaufte fünf Jahre nach Milnes Tod die Rechte. Das war 1961. Kurzfilme folgten (darunter ein Oscar-prämierter!) in rascher Abfolge. Auch eine Real-Serie entstand und die bis heute bekannte (wenn nicht bekannteste) Zeichentrick-Serie des Pooh-Universums namens NEUE ABENTEUER MIT WINNIE PUUH (1988 bis 1991). 

Ab 1997 nahm das Franchise wieder Fahrt auf, etliche Filme fürs Kino waren ab 2000 zu sehen. Bisheriger Höhepunkt war der 2016 mit Ewan McGregor in der Rolle des erwachsenen Christopher Robin besetzte Film „Christopher Robin“. Dieser könnte fast schon als Vorbote zu den beiden WINNIE-POOH-Slashern gesehen werden.

Der Weg zu diesen sehr freien Interpretationen des Kinderbuchs von Milne wurde freigegeben, als am 1. Januar 2022 die 1926 verfassten Geschichten „gemeinfrei“ nach amerikanischem Recht der Allgemeinheit überantwortet wurde. Der Disney-Konzern selbst behielt die Rechte an selbst eingefügten Figuren. Etwas länger gehörte dem Konzern die Tigger-Figur, die Rechte daran liefen final zum 1. Januar 2024 aus. Außerdem behält der Maus-Konzern die Rechte an den eigenen grafischen Interpretationen der Milnes Figuren. 

Übrigens erhielt 2006 Winnie Pooh einen Stern auf dem Walk of Fame in Hollywood. In etlichen Disney-Freizeitparks gibt es Pooh-Attraktionen. Und weil ein Pooh-Meme starke Ähnlichkeiten mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping hat, sind seit 2017 in dem kommunistischen Land restriktive Zensuren aktiv, was die Nennung der Figur in den sozialen Medien angeht. Der Diktator fand das Meme offenbar nicht so lustig. Vielleicht findet er den Horror-Pooh von Rhys Frake-Waterfield deutlich besser, schließlich zerlegt der mit ziemlich viel Gekröse etliche dem kapitalistischen Erzfeind zugehörige Menschen. Na dann, wohl bekomm’s!

MARCUS CISLAK    

WINNIE THE POOH: BLOOD AND HONEY 2
Land/Jahr: USA 2024
Label: PLAION PICTURES
FSK & Laufzeit: ab 18, ca. 93 Min.
Veröffentlichung: veröffentlicht

 

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