Skip to main content

UWE BOLL: WARUM SICH KEINER MEHR ZU SAGEN TRAUT WAS WIRKLICH IST

In seinem letzten Film „Hanau“ (Verleih: Tiberius Film) schickte sich Filmemacher Uwe Boll an, den rassistisch motivierten Amoklauf in selbiger Stadt aus dem Jahr 2020 zu verfilmen. Aus Tätersicht. Es gab einen medialen Aufschrei, obwohl Boll vorab mit den Opferfamilien Kontakt aufnahm und Recherchen zu den Hintergründen durchführte. „Immer, wenn ich angegriffen werde, gibt es direkt zurück auf die Fresse“, kommentiert Boll die regelrechte Hetzkampagne im Zuge seines „Hanau“-Filmprojekts wütend in seinem neuen, im Mai erschienen Buch.

Das trägt einen ebenso sperrigen wie programmatischen Titel. Wer bei WARUM SICH KEINER MEHR ZU SAGEN TRAUT WAS WIRKLICH IST nun noch Zweifel an der Ausrichtung des Werks hat, der sollte den Untertitel verinnerlichen: „Deutschland zwischen Cancel Culture, Political Correctness und der neuen Feigheit, die Wahrheit zu sagen“. Boll rechnet ab. Mal wieder. Aber dieses Mal nicht nur wie in seiner 2017 erschienenen, garstig stänkernden filmischen Autobiografie „Ihr könnt mich mal!“ (erschienen im Kick Verlag) gegen das Filmbusiness, sondern gegen – nun ja – alle. Erfrischend dabei ist, dass er sich dabei überhaupt nicht darum schert, wie er bei seiner Leserschaft ankommt: Er hat eben Ecken und Kanten, die er sich insbesondere vom woken Establishment nicht mehr abschleifen lässt.



Frauen? „Dieses endlose Gelaber oder das Warten, bis die Holde sich vor dem Spiegel fertig gestylt hat, ist komplette Zeitverschwendung.“ - Hundekot aufsammeln (zumal in Plastiktüten)? „Der totale Blödsinn“. - Die WM in Katar? Ein Skandal! - Religion? Die Wurzel allen Übels! Hinzu kommt Bolls Abrechnung mit der deutschen (Außen-)Politik, seine mahnende Haltung zum Klimawandel, Sympathien für Donald Trumps Wirtschaftspolitik oder was er von Gendersprache hält (natürlich nichts), gewürzt mit autobiografischen Einsprengseln oder einem kurzen Abriss in wissenschaftlicher Analyse von Texten (Uwe Boll hat in Germanistik promoviert). Das Buch gleicht auch in seinem unverblümten Ton und einer zuweilen leidlich amüsanten (Schmunzel-)Unterhaltsamkeit der strukturierten Aufzeichnung eines langen Stammtischmonologs, was Kapitelüberschriften wie „Wenn ich Bundeskanzler wäre, dann...“ unterstreichen. Auch wenn er hin und wieder zum kritischen Nachdenken anregt: Neue Erkenntnisse oder wirklich originelle Zugänge zur internationalen Politik liefert der gut informierte Boll in seinem knapp 200 Seiten umfassenden, hin und wieder etwas redundantem Pamphlet nicht. Zu aktuellen oder vergangenen Filmprojekten erfährt man nur sehr wenig, obwohl merkwürdigerweise im Anhang des Werks eine ausführliche Boll-Filmografie zu finden ist.

Insgesamt wirkt WARUM SICH KEINER MEHR ZU SAGEN TRAUT WAS WIRKLICH IST wie die (zu) gewollt provokative und nicht am Diskurs interessierte Abrechnung eines frustrierten wie alten weißen Mannes mit einer Gesellschaft, die ihm durch ihre entarteten Korrektive zunehmend fremd erscheint. Aber den Dialog haben seine vorverurteilenden Kritiker zugegebenermaßen auch nie gesucht.

LUTZ GRANERT

Titel: WARUM SICH KEINER MEHR ZU SAGEN TRAUT WAS WIRKLICH IST
Autor: Uwe Boll
Verlag: Finanzbuch Verlag
Seitenzahl: 192

literaturkritik, regisseur, hanau, klimakrise, klimawandel, afghanistan, donald trump, finanzbuch verlag, warum sich keiner mehr, uwe boll, sachbuch, film, review, Books

  • Aufrufe: 2310