Politiker unter sich
Schräges G7-Treffen, das im Sand verläuft: TANZ DER TITANEN liegt nun auf DVD und Blu-ray vor, wirkt aber so erratisch wie Trumps Außenpolitik.
In merkwürdigen Traumwelten irgendwo zwischen altmodischer Stummfilm- und surrealer Experimentalfilm-Ästhetik ist der kanadische Filmemacher Guy Maddin schon seit seinem ersten Langfilm „Tales From The Gimli Hospital“ (1988) zuhause. Seine Filme glänzen bisweilen mit schrägem Humor, fordern aber fernab geradliniger Plots immer wieder heraus. Seine zusammen mit Evan Johnson und Galen Johnson inszenierte Kuriosität TANZ DER TITANEN, für die mit Oscar-Preisträgerin Cate Blanchett („Blue Jasmine“) und Charles Dance („Game Of Thrones“) gleich zwei Schauspielgrößen gewonnen werden konnten, ist nach seinen Maßstäben noch recht zugänglich – aber trotzdem reichlich abgedreht geraten.
Auf einem G7-Gipfel im fiktiven deutschen Nest Dankerode ringen die Staats- und Regierungschefs um Bundeskanzlerin Hilda Ortmann (Cate Blanchett) beim Verfassen der Abschlusserklärung um schön klingende, aber nichtssagende Worte und ziehen sich dafür in einem Pavillon zurück. Vor lauter Arbeitseifer bemerkt das Septett erst spät, das es alleingelassen wurde; auch das nahe Hotel ist verwaist. Bei hereinbrechender Nacht versuchen sie trotz wiedererweckter Moorleichen, die durchs Park-Areal schleichen, wieder zurück in die Zivilisation zu gelangen.
Lange arbeitet sich TANZ DER TITANEN an den Eigenheiten und Marotten der Regierungschefs ab. Der senile US-Präsident (Charles Dance) dämmert immer wieder weg, der trottelige italienische Premier hat sicherheitshalber Wurst vom Buffet geklaut, die nach außen unterkühlte Bundeskanzlerin hat längst ein Auge auf den von Eheproblemen geplagten und sich mit Wein betäubenden kanadischen Präsidenten geworfen… Natürlich ist dieses Gag-Potenzial irgendwann ausgeschöpft – und obskure Merkwürdigkeiten schleichen sich in den zunehmend erratischen Film. Onanierende Moorleichen und ein riesiges Gehirn auf einer Lichtung können zwar als Mokieren über die ach so cleveren und im Vergleich zur Realität verfremdeten Köpfe der G7-Staaten verstanden werden, nur fehlt es deutlich an satirischer Schärfe und erkennbarer Linie. Dabei hätte allein eine Trump-Imitation Comedy-Gold versprochen.
Im Bonusmaterial der vorliegenden Blu-ray, das aus drei auf den Filmfestspielen in Cannes geführten Interviews besteht, finden sich auch keine Hinweise auf die möglichen Deutungen dieser Szenen. Selbst das Regie-Trio beschreibt TANZ DER TITANEN als „unkategorisierbar“ irgendwo zwischen Seifenoper, B-Horror und Satire, also deutungsoffen.
LUTZ GRANERT
Titel: TANZ DER TITANEN
Label: Plaion Pictures
Land/Jahr: Kanada/D/Ungarn/GB/USA 2024
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 104 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht
comedy, cate blanchett, tanz der titanen, plaion
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