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Oliver Kalkofe und Peter Rütten im Interview (Teil 2)

Wie können Jugenderinnerungen Filme verklären und warum darf man schlechte Filme trotzdem lieben? Über diese Fragen sprechen wir mit Oliver Kalkofe und Peter Rütten im zweiten Teil unseres Interviews.

Im ersten Teil des Interviews sprachen wir mit Oliver Kalkofe und Peter Rütten darüber, wie sie Filme für #SchleFaZ auswählen und ob vielleicht auch mal ein Zeichentrickfilm ins Format kommen könnte. Hier könnt ihr es noch einmal nachlesen. Im zweiten Teil erzählen sie uns, wie Jugenderinnerungen Filme verklären können, warum man schlechte Filme trotzdem lieben darf und wie sehr sie es genießen, gemeinsam schlechte Filme zu betreuen.

Zur Feier der 175. Folge nehmt ihr euch die RTL-Eigenproduktion DER CLOWN – PAYDAY vor. Es gibt natürlich auch noch andere RTL-Co-Produktionen, die wunderbar zu euch passen würden, zum Beispiel die John-Sinclair-Filme. #SchleFaZ hatte auch schon mal ein Hörspiel-Crossover mit John …

Oliver: Die Filme stehen weit oben auf meiner Liste. Das Witzige ist: Auch die Filme, die bei RTL liefen, sind nicht einfach im Archiv verfügbar. Die Rechtelage ist kompliziert. RTL hat sie mitproduziert, aber wer welche Rechte hat und was es kostet, oder warum manche Sachen weggeschlossen sind, weiß man oft nicht – das macht es schwierig.

Peter: Klassische Lizenzprobleme also.

Oliver: Genau. Es ist nicht so, dass alles griffbereit ist, aber es steht ganz oben auf meiner Wunschliste. Einen John-Sinclair-Film zu bekommen, wäre großartig. Ich bin selbst ein großer Fan der Hörspiele, habe auch schon einen Roman eingelesen. Dass wir mit #SchleFaZ im John-Sinclair-Universum waren, war schon ein Highlight. Dietmar Wunder, die Stimme von John in den Hörspielen, ist mittlerweile auch unsere Stimme für #SchleFaZ. Wenn wir den Film bekommen, müsste er natürlich als Gast dabei sein.

Peter: Sind die John-Sinclair-Filme denn alle gleich schlecht?

Oliver: Ich weiß nur von einem, bei dem der Dom explodiert – GEISTERJÄGER JOHN SINCLAIR: DIE DÄMONENHOCHZEIT. Den habe ich lange nicht gesehen, aber ich weiß ganz sicher: Wir könnten ihn sofort nehmen. Das Thema ist stark genug, dass man damit etwas machen kann. Und auf viele Filme haben wir jahrelang gewartet – irgendwann hat es geklappt.

Peter: Zum Beispiel bei HARD TICKET TO HAWAII.

Oliver: Oder HAI-ALARM AUF MALLORCA. Den haben wir damals noch zu Tele 5-Zeiten bekommen. Da gab’s von RTL eine Auflage: Wir dürfen nicht erwähnen, dass es ein RTL-Film ist. Das war großartig. Ich habe daraus die ganze Moderation aufgebaut. Plötzlich kommt alles zusammen, und man muss schnell reagieren. Wir hoffen, dass es mit John Sinclair irgendwann klappt – das wäre richtig schön.

Habt ihr das #SchleFaz-Crossover mit John Sinclair vergessen? Unser Review findet ihr hier.

Sollte man den Titel „Die Schlechtesten Filme aller Zeiten“ eigentlich wörtlich nehmen?

Oliver: Nein, auf keinen Fall. Wir wollen in erster Linie Spaß daran haben. Ein gutes Beispiel sind HENTAI KAMEN Teil 1 und 2. Eigentlich sind die Filme handwerklich viel zu gut für #SchleFaZ. Aber das Thema ist so drüber, dass es großen Spaß macht – und bei uns hat das super funktioniert. Ein „normaler“ Zuschauer würde wahrscheinlich sagen: „Was für ein Scheiß!“, weil er den Witz dahinter gar nicht erkennt.

Peter: Man muss dazu wissen: Es ist eine Superhelden-Parodie, bei der der Held seine Kräfte dadurch bekommt, dass er gebrauchte Damenschlüpfer auf dem Kopf trägt. Der Duft verleiht ihm seine Superkräfte.

Oliver: Die Kraft der Perversion.

Peter: Und das Ganze wird in einem erstaunlich komplexen Universum erzählt, das dabei auch noch feinfühlig aufgebaut ist. Eigentlich hätte der Film bei #SchleFaZ gar nichts verloren, aber die Skurrilität ist einfach großartig.

Oliver: Das kann man eben auch zeigen. #SchleFaZ ist nicht einfach eine Liste der schlechtesten Filme. Es ist ein Format, das Spaß machen soll. Deshalb nehmen wir auch Kulttitel wie MASTERS OF THE UNIVERSE oder SUPER MARIO BROS. auf. Viele schrieben uns: „Den habe ich als Kind geliebt!“. Ja, geht mir auch so: Ich habe GODZILLA geliebt und liebe ihn immer noch, aber trotzdem ist der Film ehrlich gesagt scheiße. Man darf schlechte Filme lieben!

Heißt, man darf seine Jugenderinnerungen feiern – auch wenn die Filme objektiv ziemlicher Murks sind?

Oliver: Ja. Nimm INVASION AUS DEM INNERN DER ERDE: Als ich elf war, gab’s dafür in Peine Standing Ovations im Kino. Ich dachte: „Das ist der beste Film überhaupt!“. Heute weiß ich, dass er grottenschlecht ist. Aber das darf man sich auch eingestehen, wenn man älter wird. Und trotzdem mag ich ihn noch. Man darf schlechte Filme lieben – und man darf Filme, die andere für Kacke halten, großartig finden. Ganz egal, was andere sagen: Ich gucke manche davon immer noch mit Begeisterung.

Peter: Was ich dabei noch anfügen würde: Auf dieser Reise durch die vermeintlich schlechten Filme, gerade wenn wir auf völlig unbekannte Perlen stoßen, entsteht auch so eine Art Präsentationsstolz. Wenn der völlige Wahnsinn hinter einer überhaupt nicht vermuteten Maske steckt – wie bei MISTER DYNAMIT – MORGEN KÜSST EUCH DER TOD. Das ist ein Agentenfilm, vom BND in Auftrag gegeben, mit Lex Barker, damals Old Shatterhand schlechthin, in der Hauptrolle. Aber was da passiert, ist unfassbar. Der Bösewicht trinkt erst eine Flasche Grappa auf Ex – und rollt sich dann in einen Teppich ein. Immer wieder. Das ist sozusagen sein Signature Move.

Oliver: Und keiner erklärt, warum. Und genau das macht #SchleFaZ aus: Szenen, die so bizarr sind, dass man sie nie wieder vergisst.

Peter: Darauf bin ich auch stolz – dass wir solche Filme ausgraben und der Welt schenken.

Oliver: Manche Leute nehmen Trashfilme zu ernst und sagen: „Ihr macht euch nur lustig!“. Aber wir heben diese Filme, die sonst kaum jemand sehen würde, auf ein Podest. So ausführlich und liebevoll wird sich nie wieder jemand mit ihnen beschäftigen. Ja, wir lachen über sie – aber wir umarmen sie auch. Wir haben sie ja lieb! In Deutschland wird Lachen leider oft mit Herabwürdigung verwechselt. Aber Humor und Zuneigung schließen sich nicht aus. Diese Filme sind schlecht, aber wir lieben sie trotzdem.

Ist das etwas typisch Deutsches?

Oliver: Das ist tatsächlich so eine schwierige Sache, die gerade in Deutschland kaum jemand kapiert. Viele denken sofort: Wenn du über etwas lachst, machst du es automatisch lächerlich – und das sei böse. Das war bei Parodien lange Zeit genauso. Da hieß es: „Findest du das etwa nicht gut? Warum machst du dich darüber lustig?“. Aber genau darum geht’s nicht. Du kannst etwas mögen und dich trotzdem darüber amüsieren. Mit Humor. Das war schon in der MATTSCHEIBE so.

Stimmt, auch in der MATTSCHEIBE hast du vielen Leuten eine Plattform gegeben. Der Erste, der das wirklich zu würdigen wusste, war Achim Mentzel.

Oliver: Unbedingt.

Viele andere auch nicht. Und du hast da viel Spannendes erlebt. Da stellt sich natürlich eine andere Frage. Eure Heimat, RTL und auch Sky, der bald zur Senderfamilie gehört, haben sich ja zuletzt durch zahlreiche biografisch-fiktionale Serien hervorgetan. Kannst du dir das auch mal vorstellen? Eine Serie über dein Leben – vom FRÜHSTYXRADIO über MATTSCHEIBE bis zu #SchleFaZ?

Oliver: Oh Gott, so weit habe ich noch gar nicht gedacht. Aber ja, Stoff gäbe es genug. Ich bin jetzt über 30 Jahre dabei, und wenn man die Geschichten wirklich mal zusammenträgt, ist das schon ein riesiger Fundus. Wenn ich ans FRÜHSTYXRADIO zurückdenke – wie das wirklich war, wie wir abgesetzt wurden, wie wir immer wieder um unsere Existenz kämpfen mussten und welche irrwitzigen Dinge da passiert sind. Bei dir ist es ja nicht anders, Peter. Wenn du zurückschaust auf die HARALD SCHMIDT SHOW und all die anderen Formate, da ging’s hinter den Kulissen doch genauso turbulent zu, oder?

Peter: Absolut, da wären wir allerdings oft schon eher im Sitcom-Bereich.

Oliver: Ich glaube, wir beide hätten genug Material, aus dem man etwas machen könnte. Und ehrlich gesagt setzt man sich ja selten hin und denkt über die eigene Laufbahn nach. Solche Momente gibt es eigentlich nur bei Jubiläen. Anlässlich von 25 Jahren MATTSCHEIBE habe ich zum Beispiel vieles noch einmal angeschaut und gemerkt, was sich da alles angesammelt hat.

Und jetzt 175 Folgen #SchleFaZ, samt neuem Podcast.

Oliver: Da kommst du mal so raus und denkst: „Oh, jetzt machen wir den Podcast mit Daniel Storb, wo wir über die alten Folgen sprechen“. Dann guckst du dir die alten Folgen wieder an und denkst: „Was habe ich da eigentlich gemacht? Ich erinnere mich an gar nichts!“. Und gleichzeitig merkst du: „Hey, das war schon eine irre Zeit, was wir alles erlebt haben.“ Spaß gemacht hat es auf jeden Fall. Man könnte da sicher eine Serie aus meinem Leben machen – also, wenn jemand Lust hat, gerne melden.

Klingt spannend, sich alte Folgen anzusehen und sich zu fragen, wie man das damals alles gemacht hat.

Oliver: Ja, und das ist auch eine Frage des Alters. In den ersten Jahren – bei allem, was ich geschrieben und gemacht habe, sei es beim FRÜHSTYXRADIO oder bei der MATTSCHEIBE – hatte ich wirklich alles noch auf dem Schirm. Ich war das lebende Archiv. Irgendwann macht das Gehirn aber Schluss.

Und dann?

Oliver: Dann denkst du: „Sorry, ich kann mir die ganzen Sachen einfach nicht mehr merken“. Alles wandert in irgendeine Schublade, die du vielleicht nur mit Hypnose wieder öffnen könntest. Irgendwann sagt dein Gehirn: „Ey, das ist zu viel Scheiße, ich will das nicht mehr wissen. Ich mache noch mit, aber dann ist Schluss“. Sobald alles erledigt ist, landet es in der Schublade – und bitte nicht wieder darauf ansprechen. Das Gehirn ist schon ein komisches Ding.

Peter: Ich erinnere mich noch, als ich schwimmen gelernt habe. Damals konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich irgendwann einfach die Bewegungen so beherrsche, dass ich durchschwimmen kann. Sobald du es kannst, vergisst du, dass du es mal lernen musstest. Das ist auch so ein Rückblick auf die eigene Biografie. Und das Schöne in deinem Leben, Olli, ist ja, dass du nie wirklich gegen deine Neigungen oder Veranlagungen arbeiten musstest.

Oliver: Ich musste nie Sport im Fernsehen machen. Das ist ein wichtiger Punkt. Man wollte mich lange und oft zu Leistungssport bringen, aber ich habe immer gesagt: „Nein.“

Peter: Ein echter Schlüssel für ein glückliches Künstlerleben.

Abschließend euer Fazit zu 175 Folgen?

Oliver: Das ist echt schön. Und man muss auch sagen: #SchleFaZ zu machen, ist ja nicht nur ein Geschenk für die Menschen, die es sehen dürfen (lacht). Das ist es auch für uns, die es machen dürfen. Das ist einfach großartig. Es gibt nur wenig in meinem Leben, das mir so viel Spaß gemacht hat. Bei der MATTSCHEIBE war es ähnlich – aber das war auch eine höllische Arbeit. #SchleFaZ dagegen zu machen, ist unglaublich entspannt. Wir dürfen Dinge tun, die sonst niemand im Fernsehen darf. Wir sagen Sachen, die sonst keiner sagt. Wir drehen alles auf den Kopf, nehmen uns selbst kaum ernst – und genau das funktioniert nur in diesem Format, weil es über die Jahre so gewachsen ist.

Peter: #SchleFaZ ist ja auch zeitgeschichtlich relevant. Wir stehen mit Filmen im Dialog, die aus ihrem eigenen kulturellen Verständnis und dem Mindset der jeweiligen Dekaden entstanden sind. Da stecken teilweise solche Ungeheuerlichkeiten drin – jetzt im langsam etwas abebbenden Wokismus denkst du dir: „Was müssen wir hier noch zitieren?“. In unserem Fall müssen wir es natürlich, weil wir den Film kuratieren, benennen, einordnen und zeigen, worauf es ankommt. Genau das macht es eben so spannend.

Oliver: Du lernst dabei ja auch, wie sich alles verändert hat. Was früher normal war, würde heute kaum noch passieren. Und trotzdem dürfen wir so albern sein, wie wir wollen, so bescheuert, wie wir sein wollen. Das ist ein Geschenk – und es ist einfach großartig!

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte FLORIAN TRITSCH

(Bild: RTL.de)

 

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