Oliver Kalkofe und Peter Rütten im Interview (Teil 1)
Schlechte Filme sind ihr Spezialgebiet – und damit schreiben sie seit Jahren TV-Geschichte. Oliver Kalkofe und Peter Rütten sezieren in „#SchleFaZ“ mit unverkennbarem Witz und Trinkspiel jene Produktionen, die man eigentlich vergessen wollte. Wir haben die beiden kurz vor ihrer Jubiläumssause zu Folge 175 getroffen – zu einem Gespräch über Trash, Skurrilität und die Suche nach dem perfekten Zeichentrick-Desaster.
Es gibt gute Filme, es gibt mittelmäßige Filme – und es gibt die schlechten Filme. Für genau diese haben Oliver Kalkofe und Peter Rütten 2013 ein eigenes Biotop geschaffen: #SchleFaZ. Ursprünglich bei TELE 5 gestartet, läuft das Kultformat seit vergangenem Jahr bei NITRO.
Der 4. September, der Tag unseres Interviews, ist ein großer Tag für die beiden: Am Abend steht die Premiere von #SchleFaZ Folge 175 an, ein Jubiläum, das mit zahlreichen Fans bis in die späte Nacht gefeiert werden soll. Doch statt den Tag mit Ausschlafen oder Entspannen zu verbringen, sind die beiden schon seit dem frühen Morgen im medialen Dauereinsatz. Seit acht Uhr geben sie Interviews und stehen Rede und Antwort für zahlreiche Medien – auch für uns nehmen sie sich Zeit. Dabei geht es nicht nur um das Jubiläum selbst, sondern auch um die Staffelpremiere von ZOMBIBER mit ihrer überraschend gelungenen Schlussrunde, um liebevoll missratene Handpuppen-Monster – und nicht zuletzt um die Frage, wie sie die Filme auswählen.
Erstmal herzlichen Glückwunsch zu 175 Folgen #SchleFaZ!
Oliver: Vielen Dank! Ehrlich gesagt hätten wir selbst nie gedacht, dass wir das schaffen würden.
Peter: Nee, das war überhaupt nicht absehbar – angefangen hat alles mit der ersten Folge, SUPERSHARK, damals noch in einer kleinen Videothek in Berlin. Klar, ein bisschen Perspektive haben wir gespürt, aber dass wir 13 Jahre später immer noch hier sitzen, wirkt schon ziemlich absurd.
Oliver: Genau. Unser Gedanke war ursprünglich: zwölf Folgen für einen Sommer, ein netter Spaß. Dass wir überhaupt ein zweites Jahr dranhängen, war schon eine Überraschung. Und jetzt: 175 Folgen. Wahnsinn!
Peter: Und wir sind dabei immer älter – und immer besser geworden.
Oliver: Wie zwei gute Weine.
Peter: Die aber ausschließlich sehr schlechte Weine verkosten.
Oliver: Ja, unsere Weine sind kaputt und verkorkt. Aber wir werden immer besser.
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Die Serie hat in den ersten Staffeln tatsächlich erhebliche Sprünge gemacht.
Oliver: Stimmt. Das Spannende ist ja: Am Anfang wussten wir selbst noch nicht, was wir da eigentlich machen. Das ist das Schöne an solchen Projekten – du ahnst zu Beginn nicht, wohin es dich führt.
Peter: Es gab kein starres Konzept, das wir erfüllen mussten. Wir haben uns tastend vorwärts bewegt und improvisiert. Im Rückblick betrachtet, wäre bei dem einen oder anderen Film natürlich noch viel mehr möglich gewesen.
Oliver: Heute wäre so eine Entwicklung fast unmöglich – nach zwei, drei Folgen ohne Quotenknall bist du abgesetzt. Bei uns durfte sich das Format entfalten: Die erste Staffel war noch seriöser, die Kommentare kurz und vorsichtig. Erst nach und nach haben wir uns mehr getraut. So sind die Running Gags entstanden: der ausrastende Peter, die „fickende Hölle“, meine Nerdigkeit … Das war alles nicht geplant, sondern ist gewachsen. Und genau deshalb ist #SchleFaZ ein lebendes Produkt. Es entwickelt sich weiter, und selbst wir wissen nie, wohin.
„Wohin“ ist ein sehr gutes Stichwort. Habt ihr beim Feiern der 175. Folge schon die 200. im Blick?
Oliver: Ja, im Blick schon …
Peter: Nein, da muss ich widersprechen. Die lasse ich auch ganz entspannt irgendwo am Horizont irrlichtern. Aber eine richtige feste Verabredung gehe ich nicht ein.
Oliver: Wir wissen ja auch noch nicht, ob wir da noch existieren. Das hoffen wir mal.
Peter: Du meinst jetzt körperlich?
Oliver: Eher von der Sendung her. Sicher ist ja noch nichts. Wir hoffen natürlich, dass es #SchleFaZ bis dahin gibt. Rein rechnerisch könnte die 200. in ein oder zwei Jahren anstehen – je nachdem, wie viele Folgen pro Jahr entstehen. Und was wir dann machen, keine Ahnung. Mein Traum wäre es, die 200. wieder live auf die Bühne zu bringen.
Peter: Das hätte enormen Reiz.
Oliver: Wir haben es ja zur 100. Folge schon gemacht: eine komplette Live-Sendung. Das war fantastisch.
Peter: Genau, damals im Tempodrom in Berlin, fast 3.000 Leute im Saal. Wir haben quasi eine kleine Werkschau gegeben – live eine Folge aufgenommen. Das hätte ich bei der 200. natürlich auch vor Augen, wenn ich damit kokettieren sollte.
Oliver: Das war wirklich toll, aber auch eine wahnsinnige Herausforderung. Viele unterschätzen, wie aufwendig das ist. Es reicht nicht, sich einfach vor die Kamera zu stellen und einen schlechten Film zu kommentieren. Da steckt Vorbereitung drin: Bauchbinden, Kostüme, Einspieler, Sound, Look. Das alles live umzusetzen, sodass das Publikum auch den Film genießen kann, ist ein enormer technischer Aufwand. Deshalb sind wir bisher davor zurückgeschreckt. Aber: Geil wäre es natürlich!
Unbedingt. Bis dahin braucht ihr ja noch eine ganze Reihe fragwürdiger Meisterwerke. Wie trefft ihr eigentlich die Entscheidung, welcher „Schatz“ es in die Sendung schafft?
Peter: Tatsächlich läuft das bei uns auf der Vorschlagsebene. Anfangs hatten wir eine kleine Liste mit Filmen, von denen wir wussten, dass sie nachweislich schlecht sind. Irgendwann dachte ich dann schon: Vielleicht gibt es doch eine Endlichkeit in dieser Ressource. Da ist Olli eingesprungen – mit viel Geduld und hohem finanziellem Aufwand.
Oliver: … und einer gehörigen Portion Leidensfähigkeit.
Peter: Ja, das auch. Ab der vierten oder fünften Staffel fing er an, sich teure Sondereditionen und limitierte Schuber zuzulegen. So hat er Filme entdeckt, von denen ich noch nie gehört hatte. Er sichtet vor, macht mir Vorschläge, und dann entscheide ich, ob ich mir das antun möchte, kann oder muss. Manchmal fällt auch mal ein Vorschlag durch den Rost, aber das ist selten, wenn Olli etwas empfiehlt. So läuft es in der Regel, zumindest was den Weg zu mir angeht. Ich gebe dann grünes Licht und muss mich anschließend damit befassen. Olli hat sich dann aber schon die Perlen ausgesucht.
Oliver: Inzwischen ist das wirklich eine richtige Hammer-Suche. Am Anfang mussten wir nehmen, was auf den Tisch kommt. Das war einfach das, was damals bei TELE 5 im Archiv war. Aber schnell war klar: „Nur schlecht“ reicht nicht. Wenn sich die Filme zu sehr ähneln, wird es eintönig. Also habe ich selbst angefangen zu suchen – und da draußen gibt es, fernab der klassischen „Top 10 der schlechtesten Filme“-Listen, unendlich viel Material. Ein Ende ist nicht in Sicht, aber man muss suchen.
Peter: Es darf natürlich kein kalkulierter Trash sein. Wir suchen Filme, die mit Leidenschaft und Vision vergeigt wurden – sei es durch Low-Budget-Umstände oder weil der Regisseur einfach geisteskrank wurde. Wichtig ist, dass die Filme liebevoll in den Sand gesetzt wurden, die Machenden es aber mit Herzblut versucht haben. Wenn dieser Funke da ist, egal ob Horror, Sci-Fi oder Kostümdrama, dann sind wir definitiv dabei.
Oliver: Und spannend wird es immer dann, wenn man etwas findet, das neu ist.
Peter: Oder originell. SHARKNADO war natürlich kalkulierter Trash, aber als absurde Naturkatastrophe hat er uns trotzdem überzeugt. Und der Film darf nicht einfach langweilig sein. Viele sind das leider.
Oliver: Ja, das passiert oft. Aber wenn die Skurrilität trägt – wie bei A*P*E im letzten Jahr – dann funktioniert es trotzdem. Der Film war stellenweise furchtbar langweilig, aber zugleich so bizarr-langweilig, dass es schon wieder seinen Reiz hatte.
Peter: Wenn die Langeweile selbst zum Thema wird, kann man damit arbeiten – und auch ein Stück weit mitleiden.
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Und diese Filme findet man auf limitierten Schubern?
Oliver: Wie Peter schon sagte, die Filme, die wirklich richtig gut schlecht sind, findet man schwer. Die gibt’s nicht bei einem Streamer und die laufen auch nicht im Fernsehen. Meist kommen die nur als Limited Edition, mit vielleicht 300 Stück in einem mega-edlen Schuber, und dann zahlst du 45 Euro oder mehr für eine einzelne Disc. Viele davon habe ich mir geholt. Bei mir steht mittlerweile der ganze Keller voll – wahrscheinlich so 500 DVDs und Blu-rays nur mit Scheißfilmen. Und viele davon habe ich noch gar nicht gesehen. Dazu kommen dann immer mal wieder neue Vorschläge. Wir kriegen inzwischen auch Angebote von Firmen, die Filmrechte haben und uns sagen: ‚Schaut euch das mal an.‘ Dieses Jahr gab es ein paar tolle Empfehlungen, die ich selbst noch nicht auf dem Schirm hatte.
Und daraus entsteht dann die #SchleFaZ-Liste?
Oliver: Richtig. Gerade liegt eine Liste mit etwa 125 Titeln bei RTL. NITRO prüft, welche Rechte wir bekommen können. Dann teilen wir auf: „Den will ich unbedingt machen, weil ich mich so gefreut habe, als ich ihn gefunden habe“, „Dazu hab ich schon eine Idee“ oder „Der passt besser zu dir“. So kristallisiert sich die Staffel heraus. Es ist ein langwieriger Prozess: erst finden, dann prüfen, dann Rechte klären.
Peter hat es schon erwähnt: Manche Genres sind bei euch noch etwas unterrepräsentiert. Wie sieht es eigentlich mit Zeichentrickfilmen aus – schließt ihr das aus?
Oliver: Nein!
Peter: Wir hatten zumindest mal EVIL TOONS.
Oliver: Da war zumindest ein Cartoon-Anteil drin. Aber wir hätten tatsächlich gerne mal einen echten Zeichentrickfilm. Das Problem ist nur, dass die meisten davon für Kinder produziert wurden. Und vieles im Kinderbereich ist einfach nur schlecht – aber leider nicht auf die gute Art. Es gibt zwar auch ein paar für Erwachsene, die vielleicht interessant wären, aber die sind echt schwer zu bekommen. Trotzdem: Ein richtig guter schlechter Zeichentrickfilm – das wäre wirklich großartig.
Peter: Aber mal seriös runtergebrochen – wenn man den Gedanken verfolgt: Bei Zeichentrick kannst du keine Schauspieler beobachten. Kein Mienenspiel, kein Overacting, kein komplettes emotionales Versagen in einer Szene.
Oliver: Da hast du weniger Angriffspunkte. Du kannst eher schauen, was komplett misslungen ist – oder wo einfach nur dreist geklaut wurde. Aber ich werde auf jeden Fall nochmal bei den Erwachsenen-Cartoons auf die Suche gehen.
Peter: À la FRITZ THE CAT, meinst du? Die waren ja extrem sexistisch.
Oliver: Ich habe die ehrlich gesagt noch nie gesehen.
Peter: Ich habe nur mal Ausschnitte gesehen – und dachte mir: „So hat man also in den Siebzigern als Intellektueller gelacht.“ Ungefähr aus dieser Zeit stammt allerdings auch Ralph Bakshis Animationsversuch von HERR DER RINGE. Den hab ich mir neulich nochmal angesehen.
Oliver: Aber das ist ja kein #SchelFaZ.
Peter: Nein, die Story nicht. Es war einfach ein experimenteller Versuch damals. Aber heute ist das völlig ungenießbar, gerade wegen der Animationen.
Oliver: Genau. Aber wie gesagt: Wir sind da dran. Auch Puppen wären natürlich super – so Hybridgeschichten, das hat immer was. Da braucht es nur den richtigen Moment, wo man sagt: „Ja, das ist es, den nehmen wir.“
Peter: Schlechte Handpuppen als Monster hatten wir ja gerade erst wieder bei ZOMBIBER.
Oliver: Oder bei RISE OF THE ANIMALS. Oder bei HOBGOBLINS.
Peter: Die haben wir ja sogar nachgebaut.
Die ZOMBIBER-Handpuppen waren wirklich total putzig. Die Handlung hat allerdings überrascht – ihr habt ja die letzte Viertelstunde sehr gelobt.
Peter: Ja, absolut. Das hat mich wirklich kalt erwischt. In den ersten drei Vierteln war wenig, was darauf hingedeutet hätte. Und dann ziehen sie am Ende plötzlich eine kühne Idee durch – mit tatsächlich wirkungsvollen Horrormomenten, die ich dem Film gar nicht mehr zugetraut hätte. Da war ich echt hin und weg über diese späte Wendung.
Oliver: Wobei ZOMBIBER auch so ein Film ist, bei dem manche sagen: „Der ist eigentlich viel zu gut für #SchleFaZ.“ Der hat ja Ironie, der ist handwerklich besser als viele andere. Aber ich finde, genau das macht es aus. Der Titel #SchleFaZ ist ja nicht wörtlich gemeint – es geht nicht darum, die schlechtesten Filme der Welt zu zeigen, sondern Filme, die dem klassischen Qualitätsmaßstab nicht entsprechen, aber trotzdem einen Riesenspaß machen. Und das ist das Entscheidende.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte FLORIAN TRITSCH
(Bild: RTL.de)
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