ART-HORROR
Adrian Gmelch legt sein zweites Filmbuch vor – und dem bekennenden Filmliebhaber gelingt es trotz zuweilen fehlender Distanz erfolgreich, akademische Inhalte leicht zugänglich zu machen.
Aufs Konto von Ari Aster und Robert Eggers gehen gerade einmal eine Handvoll abendfüllende Spielfilme. Wie keine anderen aktuellen us-amerikanischen Filmemacher verbindet sie jedoch neben einer Freundschaft und einer gemeinsamen Folge des „The A24“-Podcasts auch ein ausgeprägter Stilwille. Mit „Hereditary“ und Midsommar“ (Aster) sowie „The Witch“ und „The Lighthouse“ (Eggers) sorgten sie beim Horrorfilm-Publikum wie Filmkritik gleichermaßen für große Aufmerksamkeit. Ein Grund für den studierten Politikwissenschaftler und Hobby-Filmenthusiasten Adrian Gmelch, sich nach seinem ersten Filmbuch zu M. Night Shyamalan diesen beiden Filmschaffenden zuzuwenden.
Das Sachbuch ART-HORROR ist dabei auch programmatisch zu verstehen: Unter dieser Bezeichnung – so Gmelch – lassen sich vielschichtige Genrefilme am besten zusammenfassen, in denen Protagonisten der Übermacht der Natur hilflos ausgeliefert sind, neben typischen Gruselmomenten Generationenkonflikte erörtert werden. Die ebenfalls grassierende Bezeichnung „elevated horror“ sei ebenso wertend wie unterkomplex und werde diesen Werken nicht gerecht. Es ist erstaunlich, welchen Aufwand Gmelch bei der Recherche in den Biografien der beiden Filmemacher von der Prägung in der Kindheit bis zu ihren großen Filmen walten ließ, wieviel Interviews er gewälzt hat, um sich detailreich in ihre Vision des Filmemachens einzufühlen. In der Exegese und Analyse der filmischen Motive der vier Produktionen von Farbdramaturgie über mythologische Bezüge kann Gmelch sicher niemand das Wasser reichen. In der Einordnung von objektiv analysierender Filmwissenschaft und subjektiver Filmkritik, scheint aber ein gewisses Unverständnis vorzuherrschen (mit einem Kopfschütteln kommentiert er das Urteil des Kritikers Scout Tafoya, S. 210). Oder es fehlt an der notwendigen Distanz zu den liebgewonnenen Untersuchungsgegenständen – und seiner Leserschaft. Denn nach einer eigenen, etwas aufdringlich zitierfähigen präsentierten Definition für Art-Horror adressiert er diese in stilistisch fragwürdiger „Fanzine-Schreibe“ direkt.
Doch sei's drum: Wer den Kanon der Filme kennt, wird sie nach der Lektüre von ART-HORROR beim nächsten Mal aufmerksamer und mit anderen Augen sehen. Das ist ein Verdienst, welches das anschauliche Film-Sachbuch von ungleich trockeneren wissenschaftlichen Publikationen positiv unterscheidet.
LUTZ GRANERT
Titel: ART-HORROR: DIE FILME VON ARI ASTER UND ROBERT EGGERS
Verlag: Büchner
Autor: Adrian Gmelch
Seitenzahl: 258
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