
Hitllers liebste Filmemacherin
Sie stand zu ihrer Überzeugung – und distanzierte sich nie vom NS-Regime: Der mit über 100.000 Kinozuschauern unerwartet erfolgreiche Dokumentarfilm RIEFENSTAHL liegt nun auf DVD vor.
Leni Riefenstahl war ohne Frage eine sehr zweifelhafte Persönlichkeit. Als ehrgeizige junge Frau aus lieblosen Elternhaus begann ihre Filmkarriere zunächst in den 1920er Jahren in den Bergfilmen von Arnold Fanck, bevor sie eigene Projekte realisierte. Durch ihre Arbeit an „Das blaue Licht“ (1932) als Regisseurin, Hauptdarstellerin, Co-Produzentin und Drehbuchautorin wurden die Nationalsozialisten auf sie aufmerksam. Leni Riefenstahl pflegte fortan enge Kontakte zu Adolf Hitler und inszenierte für ihn ebenso den Propagandafilm „Triumph des Willens“ (1934) vom NSDAP-Reichsparteitag wie die Dokumentation „Olympia“ (1938) über die Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin. Später war sie beim Überfall auf Polen als Kriegsberichterstatterin in Kleinstadt Końskie dabei, wo sie (später ermordete) Juden als störend für eine Szene empfand, und adaptierte Hitlers Lieblingsoper „Tieftal“, wofür sie 1940 etwa 50 Sinti und Roma aus Internierungslagern als Statisten anforderte.
War Leni Riefenstahl nur Mitläuferin, die sich für ihre Karriere mit den Machthabern im Dritten Reich arrangierte, oder war sie selbst maßgebend an Kriegspropaganda und -verbrechen beteiligt? Diese Frage bleibt auch am Ende des fast zweistündigen Dokumentarfilms RIEFENSTAHL offen, der auf 700 Kisten mit Fotos, Film- und Tonaufnahmen aus ihrem Nachlass basiert, die nach dem Tod ihres langjährigen (und 40 Jahre jüngeren) Lebensgefährten Horst Kettner zugänglich wurden. Regisseur Andres Veiel („Beuys“) förderte daraus durchaus Pikantes zutage, konfrontiert die als roter Faden dienende Chronologie ihrer Filmproduktionen mit den späten Nachwirkungen. Etwa gemeinsame Aufnahmen von NS-Architekt Albert Speer und Riefenstahl, die über die Haft des verurteilten Kriegsverbrechers hinaus regen Kontakt pflegten und sich über Honorare für Memoiren und Fernsehauftritte austauschten. Oder unveröffentlichtes Material rund um den Dreh der Dokumentation „Die Macht der Bilder: Leni Riefenstahl“ (1993), welche die kurze Zündschnur der umstrittenen Filmemacherin bei der Konfrontation mit den NS-Verbrechen rund um den Holocaust zeigt, die überall „Rufmord“ witterte.
Auch die aus heutiger Sicht fragwürdige Dokumentarfilme und Fotos von Riefenstahls Aufenthalten beim Stamm der indigenen Nuba im Sudan ab 1962 kommen zur Sprache – wenn etwa eine Packung Persil neben waschenden Dunkelhäutigen für doppelt weiße Wäsche wirbt. RIEFENSTAHL setzt so wie ein Puzzle verschiedene Aspekte einer in einer Lebenslüge gefangenen Persönlichkeit zusammen, ohne dass das Publikum jemals Sympathie für sie und ihre eigene biografische Geschichtsklitterung entwickeln würde.
Im Bonusmaterial finden sich u.a. Interviews mit Andres Veiel und Das Erste-Talkmasterin und Journalistin Sandra Maischberger (je ca. 14 Min.), die das Filmprojekt als Produzentin ins Rollen brachte – und bemerkte, dass der Nachlass eine gewisse Lückenhaftigkeit aufwies. Schließlich – so ist im Film zweimal zu hören – müssen bestimmte Dinge aus einer Geschichte (heißt: Biografie) getilgt werden, um andere erinnern zu können.
LUTZ GRANERT
Titel: RIEFENSTAHL
Label: Majestic
Land/Jahr: Deutschland 2024
FSK & Laufzeit: ab 12, ca. 115 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht
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