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Vom Kinderwunsch zum Kindermord

Religiöser Fundamentalismus und seine absurden Auswüchse: Das Historiendrama DES TEUFELS BAD entführt in eine düstere Zeit und liegt nun im Verleih von Plaion auf DVD und Blu-ray vor.

Das bäuerliche Leben in Oberösterreich im Jahr 1750 ist noch vom strengen Katholizismus geprägt. So wünscht sich die junge Agnes (Anja Plaschg) nach der Hochzeit mit dem gutmütigen Wolf (David Scheid) nichts sehnlicher als ein Kind und betet regelmäßig dafür. Doch Wolf selbst ist – wie wir in subtilen Andeutungen erfahren – nicht am weiblichen Geschlecht interessiert, was sich in einer gefühlskalten Ehe ohne körperliche Nähe äußert. Die zunehmend in lähmende Melancholie verfallende und suizidgefährdete Agnes wird aufs Schicksal einer Kindermörderin aufmerksam, deren enthauptete Leiche als Mahnmal auf einem Altar thront – und fasst einen teuflischen Entschluss...



Unglaublich, aber wahr: Der diesjährige österreichische Oscar-Beitrag DES TEUFELS BAD basiert auf der Lebensgeschichte von Eva Litzfeller, die 1762 ein Kind ermordete, um ihrem Leben durch die Todesstrafe fremdbestimmt ein Ende zu setzen und damit der Hölle zu entkommen, die Selbstmördern zuteil wird. Das Regie-Duo aus Veronika Franz und Severin Fiala, welches bereits mehrfach – u.a. beim düsteren Psychothriller „Ich seh ich seh“ (2014) – zusammenarbeitete, recherchierte dafür in den österreichischen Archiven und erweckt in streng kadrierten Bildern eine ebenso menschenfeindlich-brachiale, religiös fundamentalistische Kultur wie wild-urwüchsige Natur zum Leben. Im schlammigen Karpfenteich oder unter dichten Nebelbändern scheint das Walten mystischer Kräfte möglich, abgetrennte Finger von Hingerichteten sollen der Fruchtbarkeit dienen, keimige Haarbüschel in der Nackenfalte durch Eiterbildung das Gift des Schwermuts abfließen lassen. Größtes Pfund ihres bisweilen fordernd nüchtern inszenierten Dramas ist die österreichische Popmusikerin Anja Plaschg („Soap&Skin“), welche ihrer psychisch zunehmend leidenden und abdriftenden Agnes in ihrem intensiven Spiel eine abgründige Inbrunst und Tiefe verleiht.

Die Blu-ray ist mit reichhaltigem Bonusmaterial üppig ausgestattet. So ist etwa Franz’ und Fialas Kurzfilm „Die Trud“ (Teil der Horror-Kompilation „The Field Guide To Evil“) enthalten – kurioser Weise doppelt, obwohl man die deutsche und österreichische Sprachfassung auch als auswählbare Tonspuren hätte anlegen können. In dem 20-Minüter wird der Aberglauben um die titelgebende österreichische Sage mit einer lesbischen Liebesgeschichte im Mittelalter verquickt – von der sich der visuelle Stil und einzelne (Plot-)Elemente in DES TEUFELS BAD wiederfinden. Neben weiteren Interviews sind auch ein Live-Q&A zum Kinostart mit dem Regie-Duo und Filmkritiker Bert Rebhandl sowie – für alle, die tiefer ins Filmthema einsteigen möchten – ein spielfilmlanger Mitschnitt des Berlinale-Panels „Ritualmord und Suizid“ aus der Hörsaalruine der Charité auf der Scheibe zu finden.

LUTZ GRANERT

Titel: DES TEUFELS BAD
Label: Plaion
Land/Jahr: Österreich/Deutschland 2024
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 121 Min.
Verkaufsstart: 27. März

historie, österreich, des teufels bad

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