Ein Spiel für die Götter
Nach Keks-Koma, Stollen-Trauma und Liebes-Dröhnung flehen die Tage nach dem Geschenke-Exodus regelrecht nach Ruhe und ein wenig Entspannung – oder einfach einer Serie, die ohne überquellenden Weihnachts-Schleim auskommt. ENDÔ AND KOBAYASHI LIVE! THE LATEST ON TSUNDERE VILLAINESS LIESELOTTE ist eine Romantik-Komödie, die jeglichen Santa-Alptraum hin fortwischt.
Die Mitglieder des schulisch-geförderten Rundfunksclub Aoto Endo und Shihono Kobayashi beschließen in ihrer Sendung das beliebte Otome-Spiel „A Magical Romance“ zu zocken. Das eigentlich für junge Frauen mit unerfüllten Liebes-Wünschen angedachte Abenteuer erzählt von der Heldin Fiene und der Antagonistin Lieselotte Riefenstahl.
Mehrere, liebeswillige Partner stehen für Fiene zur Verfügung – Lieselotte erfährt in jeder der unterschiedlichen Geschichten leider dasselbe, tragische Ende. Aoto, ganz der Nerd, hat den kompletten Guide zum Spiel gelesen und glaubt, die gute Lieselotte ist eine Tsundere – eine Frau, die ständig griesgrämig und schlecht gelaunt wirkt, aber eigentlich tiefe Gefühle hegt, nur Probleme hat, sie auszudrücken.
Gemeinsam kommentieren die beiden das Spiel in ihren Beiträgen und diskutieren natürlich über Lieselotte – nicht ahnend, dass Prinz Siegwald Fitzenhagen, ein Hauptcharakter des Spiels, sie verstehen kann. Er glaubt, die beiden Stimmen sind die Stimmen Gottes, wie nur die Königsfamilie sie hören kann: durch sie erkennt Siegwald seinen Fehler gegenüber Lieselotte – nämlich dass sie süß und liebenswert ist! Daraufhin versuchen die göttlichen Stimmen aus dem Hintergrund alles, um Lieselottes tragisches Schicksal abzuwenden – gemeinsam mit Siegwald!
Humor trifft Ästhetik
Die Kommentatoren Aoto und Shihono haben ihre ganz eigene, verzwickte Beziehung. Aoto hegt Gefühle für die leicht verrückte Shihono – die ihn davor bewahrt hat, dem ungeliebten Softball-Club beizutreten. Shihono ist Aoto gegenüber überaus enthusiastisch und versucht alles, um ihre kleine Rundfunk-Sendung in den Himmel der Beliebtheit zu erheben – während Aoto, ganz der Pragmatiker, an seinem Wissen um das Spiel und seinen Fähigkeiten als Kommentator arbeitet.
So chaotisch wie das Kommentatoren-Paar, so verzwickt ist die sich anbahnende Beziehung zwischen Lieselotte und Siegwald – ihre kühle Art macht es dem charmanten Prinzen gar nicht so einfach, zu ihr durchzudringen und sorgt für reichlich absurd komische Situationen zwischen dem künftigen Königspaar.
Das ausführende Studio Tezuka ist seit 1968 aktiv und blickt auf stolze 56 Jahre Animationsgeschichte zurück. Unter seiner Federführung erblickten Klassiker wie „Kimba der weiße Löwe“ und eine Neuauflage des Kult-Roboters „Astro Boy“ die Bildschirme der Welt. ENDÔ AND KOBAYASHI LIVE! THE LATEST ON TSUNDERE VILLAINESS LIESELOTTE fasst die Erfahrungen der Jahrzehnte zusammen.
Die Wechsel zwischen dem modernen Setting des Schulalltags zum mittelalterlich angehauchten Königshof sind fließend und wirken nie unnatürlich oder gar unpassend. Der Aufbau der einzelnen Szenen ist perfekt an den jeweiligen Zeitpunkt der Geschichte abgestimmt und schafft für die Zuschauer eine stets nachvollziehbare Handlung.
Eine punktgenaue Einhaltung der Original-Novel ist Ehrensache. Die Novel aus der Feder von Suzu Enoshima strotzt in ihren Buchstaben vor regelrechter Detailversessenheit – von Lieselottes aufwendigen Roben über das wunderschöne Schloss im Stil des englischen Königshofes bis hin zur tödlich einfachen Schuluniform der Moderne – Enoshimas Welt spiegelt sich nunmehr im Anime.
Ein Fest für die Ohren
Neben szenisch perfekten Lichteinfällen, die gerade bei romantischen Szenen zum Tragen kommen, glänzt ENDÔ AND KOBAYASHI LIVE! THE LATEST ON TSUNDERE VILLAINESS LIESELOTTE vor allem durch seinen Soundtrack. Die 12 Folgen sind eine gesunde Mischung von Moderne und Klassik.
Finden sich im hektischen Schulalltag der beiden Rundfunk-Nerds eher Musiktitel mit modernen Elementen wie Gitarre und Bass, darf es für die königlichen Hoheiten gerne etwas Zither und – ein wenig Dekadenz muss sein – die gute alte Mandoline sein.
Nach all den weihnachtlichen Klängen von „Last Christmas“ oder den stupiden, langweiligen Prinzen der alten DEFA-Märchen ist ENDÔ AND KOBAYASHI LIVE! THE LATEST ON TSUNDERE VILLAINESS LIESELOTTE eine klare Empfehlung für alle Weihnachtsmüden, die vor Silvester ihren Rotmützen-Kater loswerden wollen.

Studio: Tezuka Productions
Regie: Fumihiro Yoshimura
Land/ Herstellungsjahr: Japan 2023
Anbieter: Anime Digital Network (ADN)
LILI SCHMIRGAL
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