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Wer zuletzt lacht …

Eine Comic-Adaption als Musical? Warum denn nicht! JOKER: FOLIE À DEUX setzt den erfolgreichen Blockbuster abseits ausgetretener Genre-Pfade stimmig fort. Der Film von Todd Phillips liegt ab 2. Januar als Download, im Stream, auf DVD, Blu-ray und 4K UHD vor.

Viele DC-Fans werden sich bei ihrem Kinobesuch 2019 ziemlich gewundert haben. „Joker“ bot mit seinen düsteren, dreckigen Bildern und einem subtilen Psychogramm des erfolglos als Clown arbeitenden Psychopathen Arthur Fleck das komplette Gegenteil von breit angelegter Comic-Action im Umfeld von Batman à la Christopher Nolans epischer Achterbahnfahrt „The Dark Knight“ (2008). Der erfrischende neue Ansatz des eigentlich für Komödien bekannten Filmemachers Todd Phillips („Hangover“ und „War Dogs“ gehen auf sein Regie-Konto) wurde jedoch zu einem großen Erfolg bei Publikum, Filmkritik und Juroren: „Joker“ spielte weltweit über eine Milliarde US-Dollar an den Kinokassen ein und erhielt 2020 elf Oscarnominierungen, wovon sowohl Joaquin Phoenix in der Titelrolle in der Kategorie Bester Hauptdarsteller als auch Komponist Hildur Guðnadóttir (Beste Filmmusik) am Ende einen „Goldjungen“ mit nach Hause nehmen durften. 

Kein Wunder, dass bei einem so großen Erfolg eine Fortsetzung nur eine Sache der Zeit sein würde – und auch bei der ging Regisseur, Co-Autor und Co-Produzent Todd Philips mit einem Budget von 200 Millionen US-Dollar wieder neue Wege fernab von großen Action-Materialschlachten. So beleuchtet JOKER: FOLIE À DEUX das Verhältnis von Arthur Fleck alias Joker zu seiner Verehrerin Harley Quinn – und das in einer ebenso mutigen wie stimmigen Mischung aus abermals düsterem Charakterdrama, anarchischer  Liebesgeschichte und surrealem Musical fernab knallbunter Comic-Ästhethik. 

Gotham City in den 1980er Jahren: Nachdem er als Joker fünf Menschen ermordet hat, ist Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) zu einem regelrechten Star aufgestiegen. Unter Teilen der Bevölkerung wird er als anarchischer Held gefeiert. Davon bekommt er allerdings in seinem tristen Alltag, den er in der Psychiatrie von Arkham Asylum auf einer Insel in der Bucht von Gotham fristet, nicht viel mit. Auch wenn die Wärter um Jackie Sullivan (Brendan Gleeson) ihm Zigaretten für das Erzählen eines guten Witzes anbieten, bleibt der freudlose Insasse nahezu stumm. Als er in Vorbereitung seines Prozesses, der als Medienereignis des Jahres angesehen wird, zu seiner Anwältin Maryanne Stewart (Catherine Keener) gebracht wird, lernt er flüchtig die durchgeknallte Lee (Lady Gaga) kennen, welche gerade an einem Musiktherapie-Kurs teilnimmt. Durch Unterstützung von Jackie kann Arthur ebenfalls dabei sein und lernt Lee näher kennen – und lieben. Lee setzt alles daran, dass der ungleich anarchische und skrupellose Joker die Oberhand über Arthurs mutmaßlich gespaltene Persönlichkeit übernimmt. Als der Prozess beginnt, werden alle Verbrechen des Jokers, aber auch der Missbrauch in Arthurs Kindheit wieder aufgerollt, was an dem psychisch angeknacksten Mann alles andere als spurlos vorübergeht …  

Ein Traumpaar: Joaquin Phoenix und Lady Gaga

Schon in den ersten Minuten, wenn die Kamera Arthur Fleck von hinten beim Gänsemarsch durch den Zellenblock verfolgt, wird deutlich, wie sehr sich Joaquin Phoenix auch in JOKER: FOLIE À DEUX für seine Rolle geschunden hat. Abgemagert bis auf die Knochen schlurft er los, dann blicken müde Augen aus dem zerfurchten Gesicht eines verängstigten, kaputten Menschen. Später gesellt sich auch das Markenzeichen seiner gebrochenen Figur dazu: ein unkontrollierbares, zwanghaftes Lachen in den falschen Momenten, etwa wenn er nach einem Gerichtstermin von den gescholtenen Wächtern zurück in seine Zelle geschleift und dabei misshandelt wird. 

Im Laufe des Prozesses entfesselt er voller Spielfreude immer weitere Facetten der komplexen Persönlichkeit Arthur Flecks – so dass Phoenix durchaus Chancen hat, auch bei der Oscar-Verleihung im kommenden Jahr auf der Liste der Nominierten zu landen. Die Bekanntschaft mit Harleen „Lee“ Quinzel ist für Arthur Fleck ein Lichtblick – und auch der düster-dreckige Look des Films scheint um sie herum plötzlich heller, lebendiger. Lady Gaga (die für ihren Song 'Shallow' zur Romanze „A Star Is Born“ mit einem Oscar ausgezeichnet wurde) legt die von ihr verkörperte Figur mit einer Mischung ihres eigenen Popstar-Glamours, undurchsichtiger Rätselhaftigkeit und anarchischer Attitüde an. Regelrecht selbstverständlich wirft Lee einmal trotz etlicher Passanten um sie herum die Fensterscheibe eines Elektroladens ein, um einen der Fernseher in der Auslage zu stehlen und mit nach Hause zu nehmen, über dessen Bildschirm ihr Geliebter gerade beim Gerichtsprozess flimmerte.

Zusammen sind Joaquin Phoenix, der bereits seine Sangeskünste in „Walk The Line“ als Verkörperung von Country-Legende Johnny Cash unter Beweis stellen konnte, und Lady Gaga ein Leinwand-Traumpaar wie einst Fred Astaire und Cyd Charisse, deren Musical-Klassiker 'Vorhang auf!' (1953) in JOKER: FOLIE À DEUX für die Insassen von Arkham Asylum aufgeführt wird. Durch einen absichtlich gelegten Brand kippt die Szene und geht über in den von der Musikerin zärtlich gehauchten Coversong 'That’s Entertainment' – eines von 13 Stücken, die Lady Gaga parallel zum Kinostart auf ihrem Album „Harley Quinn“ veröffentlichte. Es ist nicht das einzige Mal, dass das Surreale Einzug hält in JOKER: FOLIE À DEUX. Das Filmpaar performt in Flecks Tagesfantasien gemeinsam eine sichtlich im künstlichen Studio gedrehte Musical-Nummer auf dem Dach oder trällert im Duett in einer gemeinsamen Fernsehshow, die eine brachiale Wendung nimmt. Nie wirken die eingefügten Songs wie Fremdkörper, sondern spiegeln die Stimmung ihrer Interpreten im emotionalen Ausnahmezustand wider – meist begleitet durch das genüssliche Rauchen einer Zigarette. 

Doch JOKER: FOLIE À DEUX hebt nie ab, gleitet – wie seine Protagonisten – nie ganz hinüber ins Reich der Fantasie. Gotham City wird in dreckigen Häuserschluchten zum Leben erweckt, welche – ebenso wie die Kameras bei der Übertragung des Gerichtsprozesses – stimmig in die 80er Jahre entführen. Die schmucklos-tristen Zellen und Aufenthaltsräume in der Psychiatrie Arkham Asylum dominieren die mit viel Liebe zum dreckigen Detail ausgestatteten Schauplätze – an denen es entsprechend auch nichts zu lachen gibt. Umso organischer wirken dann die Rebellionsversuche der Insassen, wenn sie inbrünstig 'When The Saints Go Marching In' anstimmen: eigentlich ein Gospelsong, in der am Tag des jüngsten Gerichts die Hoffnung auf das Himmelreich zum Ausdruck gebracht wird.  

Wird es Lee schaffen, einen Berg zu bauen und ihren Geliebten vor einer möglichen Todesstrafe zu retten, wie sie es mehrfach verspricht? Diese Frage bleibt lange Zeit offen – bis Todd Phillips die Erwartungen des Publikums mit einer ebenso bitteren wie niederschmetternden, aber auch logischen Pointe zum Thema Liebe aushebelt. JOKER: FOLIE À DEUX ist ein tragikomisches Meisterwerk – das zwar auf die große Leinwand gehört, aber ab dem 2. Januar auch auf heimischen Bildschirmen ausgekostet werden kann. Die physischen Veröffentlichungen kommen mit einer Dokumentationen und zahlreichen anderen Features als Bonusmaterial daher.

LUTZ GRANERT

Titel: JOKER: FOLIE À DEUX
Label: Warner
Land/Jahr: USA 2024
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 128 Min.
Verkaufsstart: Veröffentlicht

 

 

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