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No pain, no gain

Mehr als eine Lesben-Romanze in den ausgehenden 80er Jahren: LOVE LIES BLEEDING liegt im Heimkino vor.

Im Fernsehen fällt die Berliner Mauer, aber ein Frauen-Pärchen hat nur Augen für sich selbst. Die Fitnessstudio-Angestellte Lou (Kristen Stewart) und die neu in die Stadt gekommene Bodybuilderin Jacky (Katy O'Brian) haben in der Einöde New Mexicos ihre Gefühle füreinander entdeckt. Das Spritzen mit Steroiden direkt auf dem Boden hinterm Tresen der schmuddeligen Muckibude mit stets verstopfter Damentoilette gerät zum Vorspiel einer der ungewöhnlichsten Liebesgeschichten des Kinojahres 2024: LOVE LIES BLEEDING.

Auch Lous Sexualität begehrt gegen die toxische Männlichkeit im sie umgebenden Patriarchat auf: Ihrem Vater Lou Sr. (Ed Harris) gehört gefühlt die halbe Stadt – und auch Jacky hat auf seinem Schießstand als Kellnerin angeheuert. Der Job wurde der im doppelten Sinne starken Frau durch Lous ebenso groben wie schmierigen Schwager JJ (Dave Franco) nach einer schnellen Nummer im Auto verschafft, der zuhause regelmäßig Ehefrau Beth (Jena Malone) verprügelt. Doch eines Tages ist das Maß voll: Jacky tötet JJ brachial – und entsorgt die zusammen mit Lou die Leiche in einer sich rissartig durch die Wüstenlandschaft ziehende Schlucht, auf deren Grund noch weitere unliebsame Gesellen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. 

Wer nun erwartet, dass LOVE LIES BLEEDING mit seinen schmutzigen Sepia-Tönen den ausgetretenen Gangsterpärchen-Pfaden à la „Bonnie & Clyde“ folgt, wird enttäuscht: Der bis dahin beeindruckend atmosphärisch und mit sensitiver Empathie für sein von Kristen Stewart und Katy O’Brian mit Ecken und Kanten angelegtes Liebespaar erzählte Film kippt zunehmend ins Surreale, droht in den letzten Minuten gar in unfreiwillige Komik abzurutschen. Realität weicht verschwommener Wahrnehmung weicht waschechter Fantasterei; Stärke und Größe werden metaphorisch überspitzt, wenn Jacky und ihre Muskelberge ähnlich wie „Hulk“ monströse Züge annehmen. 

Filmemacherin Rose Glass hat keine Berührungsängste mit Trash, was sie abseits extravaganter Frisuren (Glatze mit langen Haaren, Minipli) immer wieder durchblitzen lässt. So schwärmt Jena Malone in der sechsminütigen Featurette „Sex, Stereoids, and Codependency“ etwa vom Soft-Sex-Flop „Showgirls“ (1995), der ihr von Glass als Referenz für ihren Film geschickt wurde – neben einem Audiokommentar der Regisseurin und drei Trailern der einzige Bonus auf der vorliegenden Blu-ray. Man kann sich an der Widerborstigkeit spüren, aber fest steht: LOVE LIES BLEEDING ist eine filmische Wundertüte, die in keine Schublade passt.

LUTZ GRANERT

Titel: LOVE LIES BLEEDING
Label: Plaion
Land/Jahr: GB/USA 2024
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 104 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht

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