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Leben und sterben lassen

Lange Zeit waren Vampirfilme blutiger Horror, dann wurden sie plötzlich zu Teeniefilmen, und schließlich verschwanden sie fast gänzlich. Nun kehrt das Genre zurück, als melancholische Komödie, die eine feine Balance zwischen Humor und Tiefgang findet. 

Moralisch essen – ein Problem, das in der modernen Welt viele Menschen beschäftigt, besonders Veganer und Vegetarier, die sich ethisch für ein Leben ohne Tierleid entscheiden. Dieses Dilemma kennt auch die Vampirin Sasha (Sara Montpetit), deren Ernährungsprobleme jedoch existenzielle Dimensionen haben: Sie kann niemanden beißen. Diese moralische Hemmung, jemanden zu töten, um selbst zu überleben, führt Sasha in einen tiefen inneren Konflikt und bringt sie auch in ernsthaften Streit mit ihrer Familie. Denn ohne Blut droht ihr der Hungertod – eine vampirische Tragödie. Ihre Eltern, zunehmend genervt davon, dass ihre Tochter nur die Blutkonserven im Kühlschrank plündert, verlieren schließlich die Geduld. Die Lösung? Sasha soll von ihrer skrupellosen Cousine Denise (Noémie O'Farrell) lernen, wie man überlebt – ohne Rücksicht auf Verluste.

Bild: ©Shawn.Pavlin

Doch bevor Sasha sich der grausamen Realität des Vampirdaseins stellen muss, trifft sie Paul (Félix-Antoine Bénard), einen Einzelgänger, der seines Lebens überdrüssig ist. Paul ist bereit, sein Dasein zu beenden, und bietet sich Sasha freiwillig als Opfer an, wenn sie ihm davor hilft, sich an seinen Peinigern zu rächen – ein scheinbar perfekter Ausweg für beide. Was zunächst wie ein makabrer Pakt wirkt, entpuppt sich bald als komplexe und tiefgehende Beziehung, die das Zentrum des Films bildet.
In ihrer Isolation und ihrem Schmerz entdecken sie eine gemeinsame Verbindung, die beide tiefer in ihre Gefühlswelt eintauchen lässt, als es die vampirische Prämisse zunächst vermuten lässt. Ihre Beziehung ist weit entfernt von klassischen Liebesgeschichten, sondern vielmehr eine Reflexion über zwei verlorene Seelen, die auf ungewöhnliche Weise zueinanderfinden.

Die schauspielerische Chemie zwischen Montpetit und Bénard ist ein zentraler Faktor, der den Film trägt. In den stillen Momenten, in denen die beiden Figuren nebeneinander sitzen und schweigen, entfaltet sich eine subtile Intensität, die den Zuschauer tiefer in die Geschichte hineinzieht. Regisseurin Ariane Louis-Seize beweist ein bemerkenswertes Gespür dafür, erdrückende Tragik mit leichter Komödie zu verweben und dabei niemals das emotionale Gleichgewicht zu verlieren. Ihre Fähigkeit, Stille und Pausen genauso bedeutungsvoll zu inszenieren wie Dialoge, verleiht dem Film eine besondere Tiefe.

Bild: ©Shawn.Pavlin

Die Visualität des Films spielt eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung seiner Atmosphäre. Ariane Louis-Seize lässt die Bilder zwischen düsterer Gothic-Ästhetik und intimen, warmen Momenten changieren. Die kontrastreichen Bilder verstärken die emotionale Ambivalenz der Handlung: einerseits die dunkle, unentrinnbare Realität des Vampirlebens, andererseits die zarten Momente der Menschlichkeit, die Sasha und Paul teilen.

Insgesamt ist FEINFÜHLIGE VAMPIRIN SUCHT LEBENSMÜDES OPFER ein überraschend tiefgründiger Film, der sich nicht auf Klischees verlässt, sondern eine eigene, originelle Stimme findet. Die Mischung aus schwarzem Humor, emotionaler Tiefe und visueller Poesie macht ihn zu einem der sehenswertesten Filme des Jahres. Der kanadische Film ist digital zum Streamen und auf DVD und Blu-ray erhältlich!

PETER ELWE

Titel: FEINFÜHLIGE VAMPIRIN SUCHT LEBENSMÜDES OPFER
Land/Jahr: Kanada 2023
Label: Atlas Film
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 88 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht

 

 

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