Die Lehrjahre des Donald T.
Trump ist weg, der Spuk ist also vorbei – oder? Das kollektive Aufatmen aus dem Jahr 2021 ist uns inzwischen allen im Halse steckengeblieben. Denn Comebacks, das konnte der umstrittene 45. US-Präsident schon immer.
Davon kann man sich nun auch mit dem Kinostart von „The Apprentice – The Trump Story“ überzeugen. Die beste PR besorgte der Porträtierte gleich selbst: Trumps Team drohte mit rechtlichen Schritten gegen den Film, nachdem dieser bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes im Mai 2024 Weltpremiere gefeiert hatte. Und ohne zu viel vorwegzunehmen: Das verwundert kein bisschen, wenn man THE APPRENTICE – THE TRUMP STORY gesehen hat.
Im Mittelpunkt steht Sebastian Stan, der vielen wohl als der „Winter Soldier“ im Marvel Cinematic Universe bekannt ist, in der Rolle des jungen Immobilienmoguls. Stan hat offensichtlich sehr genau die Mimik und Stimmlage des heutigen Trumps studiert, das wird jeder (wieder-)erkennen, der in den letzten Jahren ein Interview oder einen Debattenauftritt des inzwischen 78-Jährigen gesehen hat.
Regie führte der iranische Filmemacher Ali Abbasi, der seit Jahren in Dänemark lebt und arbeitet. Abbasi konnte bereits im Jahr 2022 eine Nominierung für die Goldene Palme von Cannes verbuchen, damals für seinen Film „Holy Spider“ über einen iranischen Serienmörder.
Dass nun Abbasis fiktionalisiertes Bio-Pic über Trumps frühe Unternehmer-Jahre in New York knapp einen Monat vor den Präsidentschaftswahlen in den US-Kinos startet, dürfte kein Zufall sein. Ebenso wenig wie der Umstand, dass der Film mit historischen TV-Bildern eines anderen geradezu berüchtigten US-Präsidenten, Richard Nixon, beginnt, der beteuert „kein Gauner“ zu sein.
Von hier aus entspinnt sich ein enorm dynamischer Zweistünder im New York der 70er und 80er Jahre – einem Sündenpfuhl aus Misswirtschaft, wilden Partys und klaffenden Klassenunterschieden. Darin bewegt sich Donald als zweitältester Sohn des Immobilien-Unternehmers Fred Trump und somit „Vizepräsident“ der seit 1927 bestehenden The Trump Organization. Eine Position, die wir zunächst als wenig rühmlich präsentiert bekommen: Donald klingelt an Wohnungstüren und treibt die Zahlungen säumiger Mieter ein. Kurz darauf sehen wir „Donnie“ am Esstisch einer zutiefst dysfunktionalen, von Fred patriarchisch geführten Familie.
In Bildern, die Abbasi über weite Strecken in der Optik von 70er-Jahre-Filmen hält, wird uns die Geschichte von Donalds Aufstieg erzählt, eng verbunden mit der Geschichte des „Big Apple“ in jener Zeit: voll von fadenscheinigen Seilschaften und einer großen Portion Blendertum.
Doch diese „Trump Story“ ist mindestens ebenso sehr ein Film über Donalds langjährigen Problemlöser: den Anwalt Roy Cohn (gespielt von Jeremy Strong), der schon Senator Joseph McCarthy in dessen skrupelloser Kommunistenjagd der 50er unterstützt hatte. Der junge Trump trifft Cohn gleich zu Beginn des Films in einem exklusiven Club in New York und ist offensichtlich schwer beeindruckt von dessen Rücksichtslosigkeit.
Cohn leitet den „Apprentice“ (zu Deutsch etwa „der Lehrling“), der zunächst staunend wie ein kleiner Junge an der Seite seines neu gefundenen Mentors weilt. Er macht Trump persönlich bekannt mit dem Medienmogul Rupert Murdoch und dem Vizebürgermeister New Yorks.
Am Anfang noch mit Skrupeln, findet der Jungunternehmer mehr und mehr Gefallen an der Message, die Cohn ihm präsentiert: Gewinnen ist das Einzige, was zählt. Und dafür gibt es nichts anderes als volle Attacke, auch mit unfairen Mitteln – Einschüchterungen, Lügen, Erpressung. Die anderen als Feinde sehen, die es um jeden Preis auszumerzen gilt.
Dass auch Regisseur Ali Abbasi von Cohn fasziniert ist – vielleicht zugleich ein bisschen angewidert – lässt sich leicht ausmachen. Er macht mit seiner Inszenierung keinen Hehl daraus, wie viel Gewicht er dem Einfluss Cohns auf Trump beimisst. Das gilt nicht zuletzt für Cohns wichtigste Regel, die er dem späteren Präsidenten einbläut: niemals, unter absolut keinen Umständen, eine Niederlage eingestehen. Klingt irgendwie vertraut, oder?
Nun wird die New Yorker Realität nicht ganz so simpel gewesen sein. Auch im Werdegang eines notorischen Lügners gibt es, im echten Leben, Nuancen. Und ja, Abbasis Biopic nimmt sich gewiss eine Reihe künstlerischer Freiheiten. Dennoch: Wer verstehen will, wie Donald Trump zu der Person wurde, die wir heute erleben, sollte diesen Film ansehen – den die New York Times kürzlich sehr treffend als die „origin story“ Trumps bezeichnete.
FRANK KALTOFEN
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