Voll mit Extras: HENRY: PORTRAIT OF A SERIAL KILLER auf Bluray
John McNaughton hatte gerade die dokumentarische Reihe „Dealers in Death“ über US-Gangster abgedreht, wofür Ray Atherton das Public-Domain-Archivmaterial besorgte. Da sprach er mit dem Produzenten Waleed B. Ali über ein neues Filmprojekt: Dieser sagte ihm ein Budget von 100.000 US-Dollar zu – für einen Horrorfilm. Etwas nervös lief er durch die Gänge der Produktionsfirma MPI (damals Maljack) und landete schließlich in einem Büro, wo ihn ein nerdiger Angestellter auf die TV-Show „20/20“ mit einer Folge über den Serienkiller Henry Lee Lucas aufmerksam machte. Der ging wegen 600 Mordgeständnissen als „The Confession Killer“ in die us-amerikanische Justizgeschichte ein – und McNaughton hatte das Thema seines Films, wie er im 52-minütigen Making Of dieser hervorragend ausgestatteten Bluray-Premiere von HENRY: PORTAIT OF A SERIAL KILLER berichtet. Und der beleibte Atherton bekam eine kleine Rolle als Fernsehverkäufer – dessen Nervosität am Set nur mit Alkohol gebändigt werden konnte, wie McNaughton im Audiokommentar verrät.
McNaughton hielt sich dabei nicht an die Wahrheit der Ermittlungsakten, sondern erzählt eine Woche aus dem Leben des Serienkillers – aus dessen Sicht. Zusammen mit dem ehemaligen Zellennachbarn Otis (Tom Towles) wohnt Muttermörder Henry (Michael Rooker, der während des Drehs weitgehend seine damalige Arbeitskleidung als Hausmeister trug) in einer kleinen schäbigen Wohnung. Als Otis’ Schwester Becky (Tracy Arnold) zu Besuch kommt, die schnell mit dem höflich-distanzierten Henry anzubändeln versucht, stellt das den Alltag der Männer-WG auf den Kopf – und sorgt dafür, dass auch Otis seinen Killerinstinkt entdeckt.
HENRY: PORTAIT OF A SERIAL KILLER sorgte mit seinen verstörenden visuellen Tableaus übel zugerichteter Frauenleichen nebst verzerrten Audios der Todeskämpfe und den – Handkamera und Chicagoer Originalschauplätze sei Dank – ungeschönt-authentischen Einblick in den Alltag eines Mörders nach seiner Veröffentlichung für einen Skandal. In Deutschland stand der Kultstreifen lange Zeit auf dem Index. Auch wenn das Bild sehr körnig ist, ist die hier vorliegende 4K-Restauration gelungen. Turbine hat die Bluray randvoll mit Extras (allesamt optional deutsch untertitelt) gepackt. Insbesondere die entfernten Szenen sind interessant, denn McNaughton konnte zunächst nicht glauben, dass bei der ursprünglichen Laufzeit von 150 Minuten etwas unter den Schneidetisch fallen könnte. So musste etwa nach Otis’ erstem eigenen Mord eine unbeholfene schwule Liebesszene weichen, welche das Verhältnis der beiden Mitbewohner in ein völlig anderes Licht gerückt hätte – wie McNaughton via Voice Over kommentiert. Auch zwei halbstündige Interviews mit ihm (geführt im Abstand von 18 Jahren) sind auf der Scheibe zu finden. Ein Klassiker, der die Wiederentdeckung lohnt!
LUTZ GRANERT
Titel: HENRY: PORTAIT OF A SERIAL KILLER (Single Bluray)
Label: Turbine
Land/Jahr: USA 1986
FSK & Laufzeit: ab 18, ca. 82 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht
Indizierung, John McNaughton, Henry, Michael rooker, klassiker
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