Junger Superheld wider Willen
Die neueste DC-Comic-Action BLUE BEETLE entfaltet eine faszinierende Welt, in der sich atemberaubende Spezialeffekte mit einem Hauch von Gesellschaftskritik verbinden.
Mit einer beeindruckenden Sammlung von Filmen, die von den ikonischen Charakteren des DC-Universums inspiriert sind, hat das DCEU in den letzten zehn Jahren eine breite Palette von Abenteuern erzählt. Neuen Aufwind erlebte es zuletzt mit „The Flash“, der nicht nur eine spannende Geschichte aufbot, sondern auch Michael Keaton als Batman zurückbrachte. Gleichzeitig bringt DCs ewiger Konkurrent Marvel mit „The Marvels“ einen lang ersehnten Blockbuster auf die große Leinwand. Gegen diese Held*innen muss also erst einmal an den (Heim-)Kinokassen bestanden werden. Auf den Schultern eines hierzulande eher weniger bekannten Superhelden lasten daher hohe Erwartungen.
Aber im Hause Warner, wo man die Rechte an den DC-Figuren hält, glaubte man wohl an die Geschichte eines jungen Hispano-Amerikaners, der lernen muss, mit außerirdischer Biotechnologie umzugehen. Wie sehr Warner von dem Film überzeugt war, sieht man schon daran, dass sich das Traditionsstudio seine Adaption rund 120 Millionen US-Dollar kosten ließ. Werbung noch nicht mitgerechnet.
Mit seinem Universitätsabschluss in der Tasche kehrt Jaime Reyes (Xolo Maridueña) zu seiner Familie nach Palmera City zurück. Dort arbeitet er zunächst als Reinigungskraft in einem Wellnesskomplex des mächtigen Rüstungskonzerns Kord Industries. Doch diesen Job verliert er recht schnell wieder, als er sich in einen zufällig belauschten Streit zwischen Jenny Kord (Bruna Marquezine) und ihrer skrupellosen Tante Victoria (Susan Sarandon) einmischt, die mit der Kraft eines außerirdischen Skarabäus unverwundbare Supersoldaten erschaffen will. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände landet dieser ausgerechnet in seiner Tasche. Als er ihn findet, aktiviert er ihn versehentlich und wird prompt zum neuen Wirt des Skarabäus, was ihm Superkräfte verleiht, die er zunächst kaum kontrollieren kann. Victoria will das mächtige Relikt jedoch um jeden Preis zurück …
Der familiäre (Migrations-)Hintergrund von Jaime Reyes wertet die Comic-Adaption enorm auf – und hebt das Actionspektakel auch von der Marvel-Konkurrenz positiv ab. Vater, Mutter, Sohn, Schwester, Onkel und Großmutter leben als teils illegale Einwanderer alle unter einem Dach. Dies sorgt dafür, dass Jaimes erste schmerzhafte und verstörende Verwandlung in den Käfer-Superhelden unter den Augen seiner Familie stattfindet, die sich fortan aktiv an der Schieß- und Prügelorgie beteiligt. Mit Jennys Hilfe greift Jaime auch auf die verstaubte Ausrüstung im Hauptquartier des seit Jahrzehnten verschollenen Ted Kord zurück, das mit alten Heldenkostümen ausgestattet ist. Ein altehrwürdiges Fluggerät, das mit seinen Facettenaugen und sechs Metallbeinen an einen riesigen Käfer erinnert, versprüht viel Retro-Charme – und Dämpfe aus der „Kloake“, mit der die gepanzerten Soldaten von Kord Industries mattgesetzt werden. Neben riesigen Hologramm-Fäusten nur eines von vielen originellen Waffensystemen, mit denen Jaimes Familienmitglieder Victorias gepanzerten Soldaten Paroli bieten.
Im Film des aus Puerto Rico stammenden Regisseurs Angel Manuel Soto, der zuletzt mit dem Coming-of-Age-Drama „Charm City Kings“ auf sich aufmerksam machen konnte, sind jedoch nicht nur einige kuriose Actionsequenzen und eine (etwas vorhersehbare) Liebesgeschichte. Der Filmemacher präsentiert zudem auch einige Seitenhiebe auf die imperialistische US-amerikanische Politik, die sich insbesondere beim finalen Kampf zwischen Jaime und Victorias (scheinbar) willfährigem Supersoldaten Conrad (Raoul Max Trujillound) in einer erschütternden Rückblende Bahn bricht. So viel Gesellschaftskritik ist ebenso ungewöhnlich für einen Beitrag zum DC Extended Universe wie überraschend ausbleibende Auftritte anderer Comichelden.
Mindestens so unerwartet ist die Besetzung, die im Gegensatz zu den meisten Superhelden-Blockbustern nicht mit einem mehr oder weniger inspirierten Aufgebot an Hollywood-Größen aufwartet. BLUE BEETLE setzt mit Ausnahme von Susan Sarandon in erster Linie auf frische, unverbrauchte Gesichter, was dem Superheldenspektakel eine gewisse Frische verleiht. Es bleibt zu hoffen, dass der gerade einmal 22-jährige und Serienfans als Miguel Diaz aus der Retro-Actionserie „Cobrai Kai“ bekannte Xolo Maridueña weitere Auftritte in der Titelrolle absolvieren darf: Sein ebenso natürlich wie sympathisch verkörperter BLUE BEETLE verpasst den DC-Comic-Adaptionen eine weitere Verjüngungskur.
Nicht alle Filme des DC Extended Universe waren Meisterwerke. Vor allem der erste “Suicide Squad” und das Gipfeltreffen „Justice League“ waren eher Superheldenfilme zum Abgewöhnen. Zuletzt konnten sie jedoch durchweg begeistern, und BLUE BEETLE ist da keine Ausnahme. Der Film von Angel Manuel Soto macht von der ersten bis zur letzten Minute Spaß und weckt die Vorfreude auf den (vorläufigen) Abschluss „Aquaman And The Lost Kingdom“, der im Dezember in die Lichtspielhäuser kommt.
BLUE BEETLE erscheint sowohl auf DVD und Blu-ray-Disc wie als Stream auf Prime Video, Apple-TV, Google Play als auch im Sky Store.
MELANIE HAST und PETER ELWE
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