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DEXTER: DIE KOMPLETTE SERIE + NEW BLOOD

Eine stilbildende Serie geht mit einem späten Ableger zuende: "Dexter" und "Dexter: New Blood" wurden zusammen von Paramount in einer epischen Box veröffentlicht.

Ein äußerst kompetenter Blutspuren-Forensiker im Morddezernat der Polizei von Miami, der in seiner Freizeit einem mörderischen Hobby nachgeht: Die Grundidee von „Dexter“ brachte 2006 frischen Wind in die Fernsehlandschaft der Thriller-Serien. In der ersten Staffel traf Dexter Morgan (Michael C. Hall) seinen Bruder wieder, der – wie er – in frühester Kindheit eine äußerst traumatische Erfahrung durchlebte und ebenfalls munter Menschen meuchelt. Im Verlauf der insgesamt acht Staffeln zeugte der emotionslose Psychopath mit Freundin Rita (Julie Benz), die am Ende der 4. Staffel vom Trinity-Killer (John Lithgow) ermordet wird, einen Sohn namens Harrison und bekommt es mit einer Menge von Serienkillern, heißt: potenziellen Opfern von ihm zu tun, die den eigentlichen Ermittlern wie seiner Stiefschwester Debra (Jennifer Carpenter) durch die Lappen gingen. Dabei befolgte er einen Kodex, den ihn sein verstorbener Stiefvater Harry lehrte, der ihm immer wieder als Verkörperung seines Gewissens erscheint: Nur Schuldige sollten dran glauben – und alle Spuren, die auf ihn selbst hindeuten könnten, gilt es durch vorab betäubte Opfer und sorgsam mit Plastikplanen ausgelegte Tatorte zu vermeiden.



Die Schlinge um Dexters Hals zog sich trotzdem immer enger – und immer absurder gestalteten sich die hanebüchenen Konstruiertheiten im Drehbuch, mit dem es Dexter immer wieder gelang, sich aus der Affäre zu stehlen. Und so schipperte er, nachdem er seine Metzeleien seinen hellhörigen Kollegen Sgt. Doakes anhängte – in der letzten der 96 Episoden nach dem Tod seiner Stiefschwester hinaus aufs Meer, direkt hinein in einen Hurricane, täuschte damit seinen Tod vor – und begann als Lastwagenfahrer ein neues Leben nahe der Grenze zu Kanada. Mit diesem unbefriedigenden Ende ließ der produzierende Pay-TV-Sender Showtime im Jahr 2013 die Fans der Serie fast schon ratlos zurück. Zumindest bis ins Jahr 2021.


„Dexter“-Showrunner und Autor Clyde Phillips nahm das Zepter in die Hand und schrieb das Drehbuch zum Ableger „Dexter: New Blood“, wobei das Publikum am Ende der 10 Folgen wesentlich versöhnlicher von seinem Helden Abschied nehmen kann. Dazu unterzog er der Serie auf den ersten Blick eine Frischzellenkur: Als Intro ist die betuliche mit Todesarten kokettierende Montage von Morgenritualen einem schnell geschnitteten, auf die einzelne Folge gemünzten Foreshadowing gewichen. Die warme Metropole Floridas wurde durch die winterlich kalte Provinz des US-Bundesstaats New York ersetzt, was sich auch in einer unterkühlten Bildsprache niederschlägt. Nicht mehr Harry, sondern die Erscheinung seiner verstorbenen Stiefschwester Debra redet ihm ins Gewissen. Und in den 10 Jahren, die seit seinem letzten Mord vergangen sind, hat auch Dexters kaltschnäuzige Killerkunst Rost angesetzt.

Dexter (immer noch Michael C. Hall) hat sich in der Kleinstadt Iron Lake unter dem Namen Jim Lindsay ein neues Leben als Verkäufer in einem Laden für Jagdbedarf aufgebaut und mit der örtlichen Polizeichefin Angela Bishop (Julia Jones) mit indianischen Wurzeln angebändelt. Doch als der joviale Millionärssohn Matt Caldwell auftaucht, der mit einem Mord auf See davongekommen ist, wird Dexters „düsterer Begleiter“ wieder geweckt und er tötet ihn und legt falsche Fährten. Dass Matts Vater Kurt (Clancy Brown) ein jagdbesessener Serienkiller mit Vorliebe für Ausreißerinnen ist, der Dexter bald auf die Schliche kommt und auch Dexters Sohn Harrison (Jack Alcott) auf einmal vor der Tür steht, sorgen allerdings dafür, dass seine neue Lebenslüge immer stärker in sich zusammenfällt.

Und so ist es kein Wunder, dass etwa ab der vierten Folge die Konstruiertheiten und Absurditäten im Drehbuch wieder die Oberhand gewinnen – etwa, wenn Angela auf einer Weiterbildung zufällig auf einen gewissen Sergeant Angel Batista (David Zayas), einem Ex-Kollegen von Dexter aus Miami trifft. Auch wenn die Konstruiertheiten clever ins Drehbuch implementiert sind und für reichlich Spannung sorgen: Logisch oder glaubwürdig sind sie nicht. Gerade bei der Entsorgung von Matts Leiche wird das deutlich: Erst grübelt Dexter eine ganze Folge lang darüber, es wird durch die gleichzeitige Spürhundsuche auf seinem Grundstück hohe Spannung aufgebaut – und dann wirft er sie unvermittelt, problemlos und unbeobachtet ins Feuer eines Heizkraftwerks. Das Publikum führt sich durch solche Unausgegorenheiten zuweilen etwas veralbert. Ebenso beim zwar nun versöhnlicherem, aber dennoch ärgerlichen offenen Abschluss: Dexters Sohn mit „düsteren Neigungen“ und Ex-Kollege Angel Batista, der sich eigentlich nach Iron Lake aufmachte, gibt’s schließlich noch – ein Spin-Off à la „Dexter Junior“ ist also nicht ausgeschlossen...



Wer sich die 2017 erschienene Blu-Ray-Box bereits ins Regal gestellt hat, braucht bei DEXTER: DIE KOMPLETTE SERIE + NEW BLOOD natürlich nicht zuzugreifen. Doch für alle anderen Fans der Serie ist die jüngst von Paramount veröffentlichte Komplett-Edition mit 39 (!) Discs ein Pflichtkauf. Die Box beinhaltet auch reichlich Bonusmaterial – welches jedoch manchmal nicht über typtische Promotion hinauskommt. Interessant ist ein Feature zur deutschen Synchronisation in den Extras der achten Staffel, in dem deutsche Sprecher auf ihre Probleme mit der gegenüber dem englischen Original ungleich verschachtelteren deutschen Sprache berichten. Auch das 30-minütige Making-Of von „Dexter: New Blood“ liefert Wissenswertes: 3 Wochen dauerte die Stoffentwicklung, in den ersten acht Staffeln doubelte Los Angeles Miami und die Einblicke ins Production Design mit – für die Rückblenden mit dem Trinity-Killer (John Lithgow) – einem exakten Nachbau des Badezimmers aus Staffel 4 geben einen guten Überblick über den Aufwand, der hier bei den Kulissen betrieben wurde.

LUTZ GRANERT

Titel: DEXTER: DIE KOMPLETTE SERIE + NEW BLOOD
Label: Paramount
Land/Jahr: USA 2006-2013, 2021-2022
FSK & Laufzeit: ab 18, ca. 5.617 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht

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