AUF DEM SKATEBOARD DURCH DIE WILDEN NEUNZIGER
Mit seinem Spielfilmdebüt ruft Autor und Regisseur Mikey Alfred das zeitlose Gefühl strahlender Jugendlichkeit hervor. Der Film kombiniert einen gut aufgelegten Cast um Miranda Cosgrove mit erstklassig inszenierten Skateaufnahmen.
Im Jahr 2002 widmete Avril Lavigne mit „Sk8er Boi“ allen Skaterboys dieser Welt eine Hymne. Einer dieser Skaterboys war damals auch Mikey Alfred, der zu der Zeit mit seinen Freunden in Skaterparks im Norden Hollywoods rumhing und Skatervideos aufnahm. Über die Jahre erlangten Alfred und seine Kumpels durchaus Bekanntheit in der Szene, und sie begannen, selbstgemachte T-Shirts und anderes Merchandise zu verkaufen. Mit der Zeit entwickelte sich das dafür gegründete Label Illegal Civilization zu einer echten In-Marke für Skaterboys und -girls, die von Kleidung bis zu Boards alles verkaufte, was Skaterherzen höherschlagen lässt.
Das Ganze klingt ein bisschen nach dem ur- amerikanischen „vom Tellerwäscher zum Mil- lionär“-Märchen, war aber erst der Anfang von Alfreds Erfolgsgeschichte, denn 2018 traf er auf Jonah Hill, der ihn als Co-Produzent und Berater für sein Regie-Debüt „Mid 90s“ engagierte, das von einer Gruppe jugendlicher Skater in den 1990ern erzählt. Motiviert durch den Erfolg von „Mid 90s“, entschloss sich Alfred dazu, einen eigenen Film zu drehen, der lose auf seiner eigenen Jugend basiert. In diesem entführt er seine Zuschauer ins Los Angeles der späten Nineties.
Am Rande der Stadt leben Michael (Ryder McLaughlin) und sein alleinerziehender Vater Oliver (Vince Vaughn). Oliver hat einen anstrengenden Job auf dem Bau, doch wirklich viel kommt finanziell nicht dabei rum. Daher wünscht er sich für seinen Sohn, der kurz vor seinem Highschool-Abschluss steht, ein besseres Leben, und der Weg dahin führt seiner Ansicht nach nur über ein College-Diplom. Michael interessiert sich allerdings nicht sonderlich für die Schule und erst recht nicht für eine College-Ausbildung, stattdessen will er Profi-Skater werden. Und so kümmert er sich kaum um seine akademische Zukunft und hängt die meiste Zeit mit seinen beiden Kumpels Adolf (Aramis Hudson) und Jay (Nico Hiraga) in Skateparks ab und hofft, entdeckt zu werden.
Doch zu Michaels Leidwesen hat keiner seiner Freunde wirklich ernsthafte Ambitionen, der nächste Tony Hawk zu werden, und sie arbeiten daher deutlich weniger akribisch daran, ihre Skate-Skills zu verbessern, als er das gern hätte. Der reiche Jay will eigentlich nur die Zeit bis zum College totschlagen, und Adolf macht sich im Grunde auch nicht viel aus dem Skaten. Dann öffnen sich für den Jungen auf einmal einige Türen, erst kommt er seinem Schwarm, der gleichermaßen bezaubernden wie wohlhabenden Rachel (Miranda Cosgrove) näher, und dann lernt er auch noch zwei Profi-Skater kennen, die ihn in ihre Clique aufnehmen. Dafür bricht Michael zunehmend den Kontakt zu Familie und Freunden ab ...
Die Zeit, in der man erwachsen wird, die Weichen für seine Zukunft stellt und herausfinden muss, wer man tatsächlich ist, gehört zu den schwersten im Leben. Doch es sind aber auch genau diese Zeiten, an die man sich später am liebsten erinnert, an all die Verrücktheiten, die man gemacht hat, an enge Freundschaften und an das Gefühl, dass einem die Welt vollkommen offen steht. Only the sky is the limit. An all diese Gefühle und Erinnerungen appelliert Alfreds Coming-of-Age-Drama von Anfang an – und das mit Erfolg.
Das liegt zum einen natürlich an dem wunderbar gestalteten Nineties-Setting, das bei vielen schon Nostalgie auslösen wird, zum anderen jedoch auch an dem zeitlosen Drehbuch, das die Pubertät perfekt einfängt. Am Anfang nimmt sich Alfred viel Zeit, das Fundament seiner Geschichte zu legen: Michaels Schwärmerei für Rachel, die Gegensätzlichkeit zwischen Vater und Sohn und vor allem die Freundschaft zu seinen Kumpels. Sobald
das passiert ist, geht es temporeich zur Sache. NORTH HOLLYWOOD gelingt es hierbei ausgezeichnet, das Erwachsenwerden mit all seiner Verwirrung und den vielen Baustellen perfekt abzubilden, ohne dabei gehetzt zu wirken oder unglaubwürdig zu werden.
Das verdankt der Film natürlich auch seinem erstklassigen Cast um Hauptdarsteller Ryder McLaughlin, Aramis Hudson und vor allem Vince Vaughn, der als strenger, aber liebevoller Vater eine der besten Darstellungen seiner Karriere abliefert. Die Rolle als Michaels erste Liebe ist mit dem immer liebenswerten rehäugigen „iCarly“-Star Miranda Cosgrove ideal besetzt. Dazu gibt es ein paar nette Cameo-Auftritte, unter anderem von „Workaholics“-Darsteller Blake Anderson als überforderter Wachmann und von Gillian Jacobs als Beraterin.
Abgerundet wird der Film durch die wunderbar in Szene gesetzten Skate-Sequenzen. Während andere Streifen hierbei ihre Darsteller nur kurz aufs Brett stellen und anschließend durch Stuntleute ersetzen, baut Alfred auf Schauspieler, die wirklich etwas von Skaten verstehen, allen voran natürlich Hauptdarsteller Ryder McLaughlin, der früher selbst Profi-Skater war. Das verleiht dem Film eine unglaubliche Authentizität und ermöglicht mitreißende Aufnahmen, die man so selten zu sehen bekommt.
Mit NORTH HOLLYWOOD schuf Autor und Regisseur Mikey Alfred einen wunderbaren Coming-of-Age-Film, der sowohl als zeitloses Pubertätsdrama als auch als nostalgischer Trip in die 1990er funktioniert. Nicht nur Freunde von Nineties-Nostagie und Skatebo- ardfans sollten hier einen Blick riskieren.
FLORIAN TRITSCH
Titel: NORTH HOLLYWOOD
Label: EuroVideo
Land/Jahr: USA/ 2021
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 93 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht
Skateboard, EuroVideo, NORTH Hollywood
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