ATOMIC EDEN
Hollywood kennt jeder auf der Welt – aber wer kennt das Land zwischen Stendal, Burg und Bitterfeld? Das fragte in leichter Abwandlung Rainald Grebe vor einigen Jahren. Mit ATOMIC EDEN wurde ein waschechter, starbesetzter Actionfilm in Sachsen-Anhalt produziert, der nun auf Blu-ray vorliegt.
Der Söldner Stoker (Fred Williamson) hat den Auftrag erhalten, in den Katakomben nahe den Ruinen des Atomkraftwerks Tschernobyl eine gefährliche Nazi-Waffe zu bergen. Dafür hat der Haudegen den mysteriösen Gangster Komorov (Jens Nier) gefangen genommen, der sich in dem unterirdischen Labyrinth zurechtfindet – und mit dem zwei Mitglieder von Stokers achtköpfigen, schlagkräftigen Einsatztruppe noch eine Rechnung offen haben. Vor Ort angekommen, bekommt es das bunt zusammengewürfelte Team mit Hundertschaften mordlüsterner Schergen in weißen Strahlenschutzanzügen und Gasmasken zu tun, die es ebenfalls auf die Beute abgesehen haben...
All das passiert in ATOMIC EDEN, dem ersten komplett in Ostdeutschland produzierten Actionfilm mit internationalem Cast, in der ersten und sehr temporeichen halben Stunde. Launige Rekrutierungsszenen illustrer Kampfgefährten (darunter auch Regisseur und Autor Nico Sentner selbst, der sich als vor Machismo strotzender Scharfschütze inszeniert), Schauplatzwechsel im Minutentakt und mitunter pointierte Dialogzeilen der mit Lederjacke und Zigarre ultracool agierenden Blaxploitation-Ikone Fred Williamson („From Dusk Till Dawn“) sorgen für Kurzweil. Vor allem die sauber choreografierten Martial Arts-Kämpfe unter Beteiligung des aus Thüringen stammenden, professionellen Stuntkoordinators Mike Möller bieten Action-Highlights, die sich vor den Big-Budget-Produktionen Hollywoods nicht verstecken müssen.
So weit, so gut, so viel 80er Jahre-Videotheken-Action-Flair, das durch das ebenso weitläufige wie schmucklose Areal einer VEB-Industrieruine in Wegeleben (Sachsen-Anhalt) weht, wo weitgehend gedreht wurde. Im Mittelteil hat dann jedoch nicht nur das Söldnerkommando, sondern auch der substanzarme Plot der ohne jegliche Filmförderung realisierten Selfmade-B-Action sein Pulver verschossen. Nach der ersten Angriffswelle herrscht, von ein paar pathetschen Heldentoden abgesehen, erst einmal dramaturgisches Vakuum. Dabei fallen dann leider auch technische Schwachpunkte ins Auge: Vielen schlicht zu lang geratenen Szenen hätte ein beherzterer Filmschnitt gut getan, die Musikuntermalung scheint nur aus einem geheimnisvollen und einem heroischen Thema zu bestehen. Und: 90er-Jahre-Actionstar Lorenzo Lamas („Renegade – Gnadenlose Jagd“) darf in seinem kurzen, verschenkten Auftritt als dubioser Anzugträger kaum mehr als ein paar Flüche ausstoßen, bevor ein fetter, nach Fortsetzung schreiender Cliffhanger ATOMIC EDEN abschließt. Die wird aber hoffentlich kommen, denn gute Ansätze sind in dieser mit viel Herzblut inszenierten, kultigen No Budget-Produktion zuhauf zu erkennen.
Nach der schrittweisen Veröffentlichung zunächst im Mediabook und dann als Single-DVD liegt ATOMIC EDEN nun auch als Single-Blu-ray vor. Die Extras sind auf allen Scheiben identisch, wobei ein neunminütiges Feature zur Martial Arts-Choreografie aller Kampfsportszenen heraussticht, in denen der artistische Hardbody Mike Möller in einer Turnhalle seinen Widersachern ordentlich einheizt.
LUTZ GRANERT
Titel: ATOMIC EDEN
Label: UCM.One (Generation X Group)
Land/Jahr: Deutschland/USA/Ukraine 2015
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 86 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht
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