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Siberia

Siberia

Abel Ferrara arbeitet in seinen Produktionen abseits des Mainstreams häufig Autobiografisches auf. Der Vampirismus von Protagonistin Kathleen in seinem tristen Schwarz-Weiß-Drama „The Addiction“ (1995) etwa trägt seine Metaphorik bereits im Titel. Hier rechnete der New Yorker Filmemacher mit seiner jahrelangen Heroinsucht ebenso ab wie mit seiner katholischen Erziehung inklusive Erlösungsgedanken. Seit 2007 behauptet er, Buddhist zu sein. Dadurch ergibt sich keine erschöpfende Deutung, aber zumindest ein Hinweis auf die Entschlüsselung des sperrigen cineastischen Rätsels SIBERIA, das nun (nur) auf DVD vorliegt.

Da haben wir Ferraras alter ego, den Protagonisten Clint, gespielt von Charakterkopf Willem Dafoe, der sich in eine einsame Hütte in den verschneiten Bergen zurückgezogen hat. Der Besuch eines Schlittengespanns, Erinnerungen an die Angelausflüge seiner Kindheit mit dem lieblosen Vater (ebenfalls Willem Dafoe), Kriegsszenen rund um Erschießungskommandos ein Versöhnungsbesuch bei seiner Ex-Frau reihen sich aneinander. Alles ist im Fluss, in stetiger Veränderung begriffen – diese buddhistische Weisheit trifft auch auf SIBERIA zu, der bei seinen Ausflug ins Unterbewusstsein von Clint zunehmend das Erzählen aufgibt. Dabei ist SIBERIA fluide, wechselt die Schauplätze mühelos von der eisigen Seelenlandschaft in den Bergen Südtirols (welch imposante Metapher!) an eine Oase in der (Sand-)Wüste hinein in eine sommerliche Holzhütte, wo sich Clints Sexpartnerin während des Akts von einer Weißen in eine Asiatin zu einer Schwarzen wandelt, bevor letztlich seine Mutter auf ihm liegt.

SIBERIA regt mit bedeutungsschweren Stilmitteln (unharmonische Klaviermusik, unentwegte Grünblende) zu einer intellektuellen Auseinandersetzung an. Die geistige Arbeit bleibt jedoch komplett dem Zuschauer überlassen. Denn auf der vorliegenden DVD von Port au Prince Films finden sich keinerlei (möglicherweise erhellende) Extras – noch nicht einmal eine Zusammenfassung der Pressekonferenz von der diesjährigen Berlinale, wo Abel Ferrara seinen Film erstmals vorstellte.

LUTZ GRANERT

Titel: SIBERIA
Label: Port au Prince Films
Land/Jahr: IT//D/GR/Mexiko 2020

FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 87 Min.
Verkaufsstart: 19. November

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