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Gauguin

Gauguin

Malerisch in allen Belangen

Wer in Frankreich Sinn für Kunstästhetik hat, hält große Stücke auf den postimpressionistischen Maler Paul Gauguin, der Ende des 19. Jahrhundert ein enges Verhältnis zu seinem niederländischen Kollegen Vincent Van Gogh pflegte und gewissermaßen auch dessen legendäre „Ohramputation“ verantwortete. Kurz nach dem Zerwürfnis der beiden wurde der Franzose zum Eremiten, indem er sich auf die Südseeinsel Tahiti zurückzog. Um seinen dreijährigen Aufenthalt dort, der den Gipfel seines Schaffens markiert, geht es in dem bildgewaltigen Biopic GAUGUIN, das nun auf DVD und Blu-Ray vorliegt.

Vincent Cassel („Mein Ein, mein Alles“) spielt den Maler so einfühlsam, wie Regisseur Edouard Leduc („Welcome To Argentina“) die Handlung vor der traumhaften Kulisse Französisch-Polynesiens in Szene setzte. Gauguin hat Frau und Kind zurückgelassen, um sein Heil in der unschuldigen Landschaft der abgeschiedenen Insel zu suchen, weil er zivilisationsmüde ist und sich inspirieren lassen möchte, ohne abgelenkt zu werden. Dabei sitzt er dem Glauben auf, die Menschen auf Tahiti würden noch in Harmonie mit der Natur leben und hätten keine finanziellen Sorgen. Gleichwohl er damit nicht ganz Unrecht hat, greift er in seinem Schaffensdrang zu kurz und versteift sich auf seine neue Muse, die kindliche, aber frühreife Einheimische Tehura (Tuheï Adams), für die er sein eigenes Wohlergehen vernachlässigt.

GAUGUIN funktioniert auf mehreren Ebenen: Die Macher üben keine Kritik und nehmen es mit der Wirklichkeit - der Künstler hatte mitnichten nur Diabetes, wie angedeutet wird, sondern litt unter Syphilis - nicht allzu genau, um Arthouse im wahrsten Sinn des Wortes zu demonstrieren. Dabei wird das Idyll vermeintlicher Paradiese weniger hinterfragt als eine Diskrepanz offenbart - nämlich jene zwischen der Sehnsucht des Künstlers nach Freiheit und der Tatsache, dass er seine Modelle, allen voran Tehura, steif posieren lässt und faktisch einschränkt. In dieser Hinsichtlich lässt sich der Streifen mit der Verfilmung von Thomas Manns „Tod in Venedig“ und diese Hauptfigur mit jener vergleichen. Wie Aschenbach scheint der Mann, der als Wegbereiter der modernen Malerei in die Geschichte eingehen sollte, fürs Objekt seiner Begierde sterben zu wollen, gleichwohl mehr oder weniger offengelassen wird, wie elend es ihm gesundheitlich wie wirtschaftlich ging.

Die Aufrechterhaltung der fragilen Idylle - sowohl seitens des Protagonisten als auch durch die Schöpfer - macht GAUGIN dann auch zu einem jederzeit kunstvollen Film, der den Pionier genauso darstellt, wie ihn insbesondere das Publikum in seinem Geburtsland von jeher bewundert hat. Dessen ungeachtet profitiert der Zuschauer generell von einer solchen Inszenierung, denn sie gewährleistet traditionelle Unterhaltung mit Subtext, den man sich nicht zwingend erarbeiten muss, um auf seine Kosten zu kommen. Eine verpasste Chance wäre dies nichtsdestoweniger.

ANDREAS SCHIFFMANN


Titel: GAUGUIN
Land/Jahr: Frankreich, 2017
Label: Studiocanal
FSK & Laufzeit: ab 6, ca. 104 Min.
Verkaufsstart: 8. März

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