Der andere Liebhaber
Der andere Liebhaber
Verdopplung im Quadrat
Mit DER ANDERE LIEBHABER startet am 18. Januar der neue Film von Francois Ozon („8 Frauen“, 2002) im Kino. Eine zunächst merkwürdig-faszinierende, später abstruse Mischung aus Beziehungsdrama, Mystery und Psychohorror.
Francois Ozon hat bereits einfühlsame Dramen inszeniert („Die Zeit die bleibt“, 2005) und sich am Genrefilm versucht („Swimming Pool“, 2003). Am stärksten ist er jedoch immer dann, wenn er einfühlsam und sensibel die Schwingungen zwischenmenschlicher Beziehungen analysiert und das Innenleben einzelner Figuren seziert. Hier hat er über die letzten 15 Jahre nicht nur eine Meisterschaft entwickelt, sondern darin bildet er inzwischen auch eine Ausnahmeerscheinung unter den europäischen Autorenfilmern. Eher unfreiwillig führt das auch sein neuer Film DER ANDERE LIEBHABER vor Augen: Der Genremix ist so lange gelungen, wie Protagonistin Chloé (Marine Vacth) versucht, ihr eigenes seelisches Innenleben und ihr eigenes Verlangen nach zwei grundsätzlich verschiedenen Zwillingsbrüdern reflektiert. Da ist der einfühlsame Psychologe Paul Meyer (Jérémie Renier), der sich nach den ersten Therapiesitzungen in die verunsicherte, ängstliche Frau verliebt und eine Beziehung mit ihr beginnt – und sein grober Zwillingsbruder Louis Delord (ebenfalls Jérémie Renier), mit dem Chloé eine mehr triebhafte denn leidenschaftliche Affäre eingeht. Das geht lange gut, bis Chloé plötzlich ungewollt schwanger wird…
Zwillinge sind immer Verdopplungen und Spiegelbilder eines Anderen – und Ozon greift dieses Motiv in der visuellen Gestaltung seines Films immer wieder auf. Zunächst „übersetzt“ er diese Verdopplung subtil in Split Screens und Überblendungen, später wird er bis zum gläsernen Overkill nur noch Spiegel aller Art im Interieur platzieren, die zunehmend auf jenes Grauen hindeuten, welches noch folgen wird. Denn in der letzten halben Stunde wirft Ozon sämtliche Subtilität über Bord, präsentiert seltene medizinische Phänomene rund um die Entwicklung von Zwillingen im Bauch der Mutter und schließt seinen unangenehm unterkühlten Film mit einer Auflösung der Marke „body horror“, an der David Cronenberg seine helle Freude gehabt hätte.
Jegliche Erotik in den zahlreichen Sexszenen, jegliche Sinnlichkeit, die die ebenso zerbrechliche wie großartige Marine Vacth (bereits in Ozons „Jung & schön“ ähnlich freizügig zu sehen wie hier) zu verkörpern vermag, wird abgelöst von plumpem Psychohorror, als Traum und Wirklichkeit in Chloes Wahrnehmung miteinander verschwimmen. Mit ihrer Fähigkeit zum rationalen Denken löst sich auch der Plot von DER ANDERE LIEBHABER auf und wirft so etwas scheinbar Unnötiges wie Logik über Bord. Schade um die bis dahin intensive Erforschung von Chloés Innenleben – im doppelten Sinne.
LUTZ GRANERT
Titel: DER ANDERE LIEBHABER
Land/Jahr: Frankreich/Belgien 2017
Label: Weltkino
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 107 Min.
Kinostart: 18. Januar
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