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Unterwegs auf dunklen Pfaden

Seit den 60er Jahren ist er kreativ, doch vor allem seine Spielfilme verhalfen ihm zu Berühmtheit: Das Sachbuch DAVID LYNCH BEGREIFEN betreibt Exegese eines rätselhaften Universalkünstlers.

Düster, abgründig und rätselhaft: Mit diesen drei Worten würden die meisten Cineasten die Filme von David Lynch wohl am ehesten beschreiben. Doch Lynch ist nicht nur ein Filmemacher. Als Maler, der mit dick aufgetragenen dunklen Farben und abstrakten Formen arbeitet, ist er deutlich von Edward Hopper, René Margritte und Francis Bacon beeinflusst. Als Avantgarde-Musiker fügt er klassischem Blues Industriegeräusche und Soundeffekte zusammen. DAVID LYNCH BEGREIFEN gibt mit solchen Analysen einen kenntnisreichen und umfassenden Einblick ins Schaffen des inzwischen 78-jährigen Universalkünstlers.

Die beiden Autoren Adrian Gmelch und Jonathan Ederer nutzten zahlreiche Quellen, zum Teil eigene Bücher Lynchs, zum Teil Onlinequellen, Zeitungen und Zeitschriften – die (und das ist ein kleiner Malus) zwar im Anhang alle aufgelistet, aber auch bei Zitaten im Fließtext nicht mit Fußnoten versehen sind. Herausgekommen ist dabei ein Sachbuch in – so die beiden Autoren im Vorwort – essayistischer Form. Die profunden Kapitel reichen von David Lynch als Mensch über seine Wirkungsstätten, seine Präsenz in verschiedenen Künsten bis hin zu den seine Kunst bestimmenden Themen – wobei der Band auch als eine Art Lexikon zu bestimmten Schlagworten gelesen werden kann. Ein paar Redundanzen bleiben dabei nicht aus. So wird mehrfach eine prägende Erinnerung erwähnt: Während seiner behüteten Kindheit begegnete er im Nachbarviertel einer nackten Frau, die vor häuslicher Gewalt flüchtete – was der passionierte Zucker-Liebhaber später in „Blue Velvet“ (1986) aufarbeitete. Über diesen Thriller finden Einsteiger wohl auch den einfachsten Zugang zu Lynch und seinen Gedankenwelten, die – als zentrales Motiv – vom Leben in Finsternis und Verwirrung geprägt sind, vom Gegensatz zwischen strahlender Oberfläche und gärendem Untergrund.  


 
Auch ein paar überraschende Anekdoten finden sich in DAVID LYNCH BEGREIFEN. So begegnete Lynch dem italienischen Meisterregisseur Federico Fellini 1993 kurz vor seinem Tod beim Dreh eines Werbefilms in Rom. Und es ist wohl nur (noch) Wenigen bekannt, dass Lynch in Berlin Ende der 2000er Jahre auf dem Teufelsberg ein Grundstück für die Eröffnung einer Art „Universität“ zur Unterrichtung von Transzendentaler Meditation (welche er zu seiner Inspiration selbst seit 1973 betreibt) kaufte – wogegen sich massiver Widerstand erhob. Die beiden Autoren verurteilen ihr Sujet nicht, äußern an ihm keine Kritik – und überlassen die Wertungen den Leserinnen und Lesern. Das titelgebende Credo stimmt jedoch: Nach der Lektüre der vielen Zugänge zum ebenso rätselhaften wie faszinierenden Werk von David Lynch begreift man das Werk des exzentrischen Künstlers tatsächlich besser.

LUTZ GRANERT

Titel: DAVID LYNCH BEGREIFEN. KUNST – KINO – KREATIVITÄT
Verlag: Büchner Verlag
Autoren: Adrian Gmelch, Jonathan Ederer
Erscheinungsform/Seitenzahl: Paperback, 388 Seiten
Erscheinungstermin: veröffentlicht

david lynch, filmwissenschaft, sachbuch, film, literatur