Mit Nassflächen fürs Klima
Der Name ist Programm: Im informativen Sachbuch MOORE SIND WIE MENSCHEN, NUR NASSER sind einige Anthropomorphismen allzu waghalsig geraten.
Nach dem ersten Kaffee ist es meist soweit: der Toilettengang steht an. Das ist auf dauerhaft nassem Land, das sich im Wesentlichen von abgestorbenen Pflanzen „ernährt“, welche Torf bilden, nicht anders. Zitat: „Im Gegensatz zu Menschen scheidet ein Moor seine nur teilweise verdauten Essensreste aber nicht aus, sondern häuft sie unter, oder besser in sich, an: Es scheißt sich selbst hoch.“ (S. 46) Wie bitte? Ja, richtig gelesen. Ein flapsiger Ton regiert in MOORE SIND WIE MENSCHEN, NUR NASSER – wobei die schon im Titel verankerten Analogien zwischen den feuchten Ökosystemen und menschlichen Eigenschaften – die von Sturheit über Egoismus und Altersweisheit bis hin zu häufigem Pupsen reichen – arg bemüht wirken. Aber das sind dann neben der Widmung am Anfang („Für alle mit trockenem Humor“, höhö) auch schon die einzigen Kritikpunkte.
Hans Joosten (Generalsekretär der International Mire Conservation Group) und Swantje Furtak (ihres Zeichens Dokumentarfilmerin und Biochemikerin) bringen reichlich in wohldosoerten Dosen verabreichtes Fachwissen über Moore in ihrem populärwissenschaftlichen Sachbuch mit. Der typische, zugängliche Katapult-Stil schimmert immer wieder durch: In einer leicht verständlichen Sprache und in einer erfrischend farbigen Aufbereitung mit zahlreichen schematischen Darstellungen, Karten und Charts, die neben vielen Informationen auch Witziges bieten. Im Guide „Torf erkennen für Anfänger:innen“ regt das Schreibduo für den Test dazu an, einfach mal ein Stückchen Boden zu probieren („Sorry, ist leider die effektivste Methode. Also, los geht’s!“).
Wenige Seiten weiter werden Flora und Fauna in Mooren vorgestellt, die Bedeutung von Torf für die Elektrifizierung der Sowjetunion analysiert, auf die verheerenden Auswirkung von Moor-Trockenlegungen hingewiesen (riesige CO2-Emissionen, der Boden sinkt pro Jahr 1-2 cm ab) oder für eine landwirtschaftliche Nutzung wieder vernässter Moore geworben. Sogenannte Paludikulturen (bspw. Azolla, Aguaje, Jelutong oder die Illipe-Nuss) kommen mit hohen Wasserständen klar – und können als Nahrungsmittel, Baumaterial oder medizinische Zwecke genutzt werden.
Und an diesem Punkt ergeben die vielen Personifizierungen in MOORE SIND WIE MENSCHEN, NUR NASSER dann doch noch irgendwie Sinn. So haben die Sümpfe mit min. 30 cm Torfschicht (so die Moor-Definition in Deutschland) nicht nur die menschliche Kulturgeschichte bestimmt, sondern bestimmen als CO2-Speicher auch unsere Zukunft – weswegen auch einige Hinweise zu möglichem Aktivismus nicht fehlen. Ein ebenso unterhaltsamer wie informativer Band!
LUTZ GRANERT
Titel: MOORE SIND WIE MENSCHEN, NUR NASSER
Autoren: Swantje Furtak, Hans Joosten
Verlag: Katapult
Seitenzahl: 176 Seiten (Klappenbroschur)
Landwirtschaft, globale erwärmung, klima, Moor, Ökologie, Katapult Verlag, sachbuch, katapult