88 Namen
88 Namen
20 Jahre in der Zukunft: Multiplayer-Rollenspiele werden nicht mehr an Computern oder Konsolen gezockt, sondern im virtuellen Raum. John Chu verdient hier seinen Lebensunterhalt als sogenannter Sherpa, unterstützt also meistens wohlhabende Player u.a. mit besserer Ausrüstung und versierteren Teamkollegen – eine regelwidrige und strafbare, aber auch zeitsparende Abkürzung dem ehrlichen Weg gegenüber. In letzter Zeit hat Chu daher mehrere seiner 88 Identitäten eingebüßt. Seine Gefährten vermuten dahinter das Handwerk von Darla, die sie für seine rachsüchtige Exfreundin halten, doch er glaubt nicht daran. Schließlich wird er von einem Avatar namens Smith gerufen, der seinem Team ein stattliches Wochenhonorar dafür anbietet, einen gewissen Mr. Jones in die Gaming-Szene einzuweihen. Der Verdacht gegen Darla verhärtet sich, aber die Kohle landet tatsächlich auf Johns Konto, und kaum dass die Sache klar zu sein scheint, tritt eine mysteriöse Chinesin auf den Plan, die ein noch verlockenderes Angebot macht. Handelt es sich bei den anonymen Kontakten um Nordkoreas Diktator Kim Jong-un, der sich durch die Hintertür des Spiels einen Schritt weiter gen Weltherrschaft schleichen möchte?
Autor Matt Ruff spielt in 88 NAMEN all seine Stärken als Storyteller aus und schafft es, das von außen betrachtet immer noch schwer zu durchdringende RPG-Milieu selbst Verächtern schmackhaft zu machen. Über den spürbaren Spaß hinaus, den der New Yorker wohl beim Schreiben hatte, lässt er den Leser nicht nur darüber spekulieren, ob sein Buch dystopisch oder utopisch zu verstehen ist, sondern schneidet Themen an, vor denen wir uns in den kommenden Jahren wahrscheinlich nicht verschließen können: Welche Relevanz haben Geschlechtszugehörigkeiten und die "Wirklichkeit", wenn jeder und jede sie für sich selbst gestalten können? Die Zukunft bleibt spannend … wie dieser Roman.
ANDREAS SCHIFFMANN
Titel: 88 NAMEN
Autor: Matt Ruff
Seiten: 336
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