Heinz Strunk: Das Teemännchen
Heinz Strunk: das teemännchen
Geplatzte Lebensträume und seelische Abgründe spiegeln sich wider in einem welken Äußeren und rüden Umgangsformen: Vermischt mit widerwärtigen Detailbeschreibungen kehrt sich bei Heinz Strunks Loser-Protagonisten so das hässliche Innenleben adäquat nach außen. Wer den Serienkiller-Roman „Der goldene Handschuh“ des Hamburger Autoren kennt, hat eine vage und dennoch nicht ganz richtige Vorstellung davon, was ihm bei der Kurzgeschichtensammlung DAS TEEMÄNNCHEN erwartet.
Die insgesamt 50 Texte, die auf 208 Seiten versammelt sind, sind ein literarischer Gemischtwarenladen mit – ja, tatsächlich muss man es so nennen – Produkten unterschiedlicher Qualität. Strunks meisterhaft schnoddrige Sprache der „Kleinen Leute“, die ihn von anderen Autoren abhebt, scheint dabei nicht immer durch. Zwei sieben Seiten umfassenden Kurzgeschichten bleiben in Erinnerung. „Borstelgrilleck“ suhlt sich regelrecht lustvoll in der detailierten Beschreibung des körperlichen Verfalls einer Landpomeranze und in „Vergebung“ erzählt Strunk durchaus bildhaft, traurig und einfühlsam vom Umgang mit einem rehabilitierten DDR-Delinquenten in einem thüringischen Grenzdorf. Doch jedes Mal, wenn Strunk sich allzu weit vorwagt, fällt er auf die Nase. Absurde Miniaturen wie „Lehrer i.R. Paul-Günther Korsen“ um einen pensionierten Pennäler, dessen Körpergröße je nach Tageszeit stark variiert, und „Andersrum“, bei dem ein KFZ-Gutachter eine körperliche Abnormität feststellt, wären auf einem Literaturblog als zwischen Rowohlts erlesenen Buchdeckeln besser aufgehoben, während die individuelle, aber bemüht witzige Aufarbeitung von Nachrichtenmeldungen („Der arme Sextäter“, „Der Übergrößenschuhmacher“) gar nicht veröffentlicht worden wäre, wenn nicht das Banner „geschrieben von Heinz Strunk“ drüberkleben würde.
Kurzweilig ist das alles trotz der Beliebigkeit seines Inhalts dennoch, gerade weil Heinz Strunk mit einer hervorragenden Beobachtungsgabe gesegnet ist und Alltagsorte treffend beschreibt. Raststätten sind für ihn „Schattenreiche, errichtet auf den Säulen Mullfraß, Pornozeitschriften, Kondomautomaten und Fernfahrerduschen.“ Insofern ist der vorliegende Hardcover-Band wie ein typischer Heinz Strunk-Roman: Auch nach Lektüre von DAS TEEMÄNNCHEN verspürt man bei all dem beschriebenen Siff, Schmuddel und Schmutz das dringende Bedürfnis, sich die Hände zu waschen.
LUTZ GRANERT
Titel: DAS TEEMÄNNCHEN
Autor: Heinz Strunk
Verlag: Rowohlt
Seiten: 208
Bildrechte: Rowohlt Verlag & Dennis Dirksen
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