Elvira Zeißler im Interview

In der Fantasy-Reihe DIE WORTWEBERIN entführt Elvira Zeißler ihre Leser in eine Welt voller Illusionen und Machtspiele. Im Interview sprechen wir mit ihr über den Romantasy-Hit.

Elvira Zeißler hat mit DIE WORTWEBERIN eine faszinierende Welt erschaffen. Die Serie begeistert durch ihre tiefgründigen Charaktere, allen voran die Hauptfigur Chiara, die sich von einem unscheinbaren Mädchen zu einer mutigen Frau entwickelt und dabei in ein gefährliches Machtspiel gerät. Die Serie steht derzeit auf Platz vier der Belletristik-Charts bei Audible. Im Interview spricht die Autorin über den kommenden dritten Band, der am 26. November erscheint.

 Sie haben bereits in verschiedenen Genres geschrieben. Was zieht Sie besonders zur Fantasy-Literatur?

An der Fantasy Literatur reizt mich genau das – die grenzenlosen Möglichkeiten der Fantasie. Ich liebe es, neue Welten und Magiesysteme zu erschaffen und meine Protagonisten vor schier unüberwindbare Hindernisse zu stellen. Zugleich bietet das Genre die in meinen Augen einzigartige Gelegenheit, alte Ideen, Ansichten und Konzepte zu hinterfragen und neue Anregungen zu platzieren, ohne dass es belehrend oder aufdringlich wirkt. Deshalb schreibe ich unter anderem auch so gern über starke Frauenfiguren, die ihren männlichen Gegenparts – bei all ihren Unterschieden – auf Augenhöhe begegnen.

Viele Ihrer Romane haben starke, vielschichtige Protagonistinnen. Wie entwickeln Sie diese Charaktere, und worauf legen Sie dabei besonderen Wert?

Bevor ich mit dem Schreiben beginne, ist es für mich wichtig, ein gutes Gefühl für meine Protagonistinnen zu haben, ich muss mich in sie hineinfühlen können. Dafür mache ich mir im Vorfeld intensiv Gedanken über ihre Vergangenheit und die Ereignisse, die sie auf ihrem Weg bisher geprägt haben, um daraus ihre Reaktionen und Handlungen authentisch ableiten zu können. Zudem braucht jede meiner Protagonistinnen ein starkes Warum, ein definiertes Ziel und natürlich viel persönliches Entwicklungspotenzial.

In Wortweberin DIE WORTWEBERIN – SCHALL UND SCHEIN beginnt  Chiara ihre Reise als eher zurückhaltende Figur. Wie hat sich die Idee entwickelt, ihre schrittweise Emanzipation durch ihre Fähigkeiten und ihre neuen Aufgaben darzustellen?

Mit Eowyn hatte ich zuvor ja eine sehr starke Protagonistin geschaffen, die niemals eine Schwäche zugeben würde. Da ich mich nicht wiederholen mag, ist Chiara gewissermaßen das Kontrastprogramm dazu. Zugleich denke ich, dass sich sehr viele Menschen in Chiara wiederfinden, weil fast jeder von uns sich mal unsichtbar oder unwichtig fühlt. Besonders Frauen sind oft daran gewöhnt, die eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen. Deshalb fand ich es schön, zu beschreiben, wie Chiara an den Ereignissen wächst und wie sie es schafft, nach und nach ihr Selbstvertrauen und die ihr innewohnende Kraft zu entdecken.

Die Wortmagie spielt in Chiaras Welt eine zentrale Rolle. Was fasziniert Sie an der Idee, durch Worte Bilder und Illusionen zu erschaffen, und wie haben Sie dieses Konzept in der Welt von DIE WORTWEBERIN verankert?

Ich finde es faszinierend, wie unsere Sprache und unsere Gedanken unsere erlebte Realität prägen. Chiaras Gabe ist gewissermaßen eine Weiterentwicklung dieser Idee, denn ihre Worte werden tatsächlich in Form von Illusionen sichtbar. Zugleich spielt ihre Magie mit dem Einfluss, den unsere Überzeugungen auf unsere Wahrnehmung haben. Ihre Illusionen werden umso lebensechter, je mehr und je stärker die Menschen um sie herum daran glauben.
       
In Ihren Büchern spielen Gut und Böse eine zentrale Rolle, aber oft sind die Grenzen verschwommen. Was fasziniert Sie an dieser Ambivalenz?

Ich bin fest davon überzeugt, dass kein Mensch nur „gut“ oder nur „böse“ ist. Beide Kräfte tanzen unentwegt in uns. Und selbst die „Bösewichte“ haben in der Regel gute Gründe dafür, wer und wie sie sind. Man kann aus den falschen Gründen das Richtige und aus den richtigen Gründen das Falsche und dieses Spannungsfeld finde ich zutiefst faszinierend.
       
Ende November erscheint der dritte Teil. Verraten Sie uns, wie sich die Geschichte weiterentwickelt?

Allzu viel möchte ich natürlich nicht verraten. Aber die Magie sowie die Beziehung der Protagonisten bekommen im letzten Band noch mehr Raum und Tiefe. Und die Gefahr, der sie sich am Ende stellen müssen, wird noch viel größer als bisher gedacht.

Text und Interview: Peter Elwe