Eternity Revisited
Das kultige Old School-RPG PILLARS OF ETERNITY wurde seit der Veröffentlichung seiner PC-Version im März 2015 nur so mit Lorbeeren überschüttet. In bester Tradition von Klassikern wie „Baldur's Gate“, „Planescape Torment“ oder „Icewind Dale“ steht es wie kein anderes aktuelles Spiel für Qualität, Quantität und eben pures Retro-Spielgefühl. Zwei Jahre später erscheint nun die Konsolen-Umsetzung als COMPLETE EDITION inklusive der beiden Erweiterungen THE WHITE MARCH I und II für PS4 und Xbox One.
Dabei sah es zu Anfang gar nicht so rosig aus für PILLARS OF ETERNITY, denn Obsidian Entertainment stand kurz vor dem finanziellen Ruin. Auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter konnten allerdings sage und schreibe 4,1 Millionen US-Dollar zusammengesammelt werden, die nicht nur das Spiel, sondern auch den Entwickler selbst retteten. Dazu stellte sich das Spiel frech gegen jegliche Trends seines Genres. Keine Bombast-Grafik, keine Open World, sondern die Besinnung auf traditionelles RP-Gaming der Jahrtausendwende wurde von den Fans mit wahren Begeisterungsstürmen angenommen.
Die Story von PILLARS OF ETERNITY führt uns in die fantastische Welt von Eora. Ein ahnungsloser Held wird von magischen Stürmen überrascht, die sein Leben von Grund auf verändern. Fortan wird er von Visionen heimgesucht und erlangt die Fähigkeit, Seelen zu lesen und mit ihnen zu kommunizieren. Das gilt sowohl für die Lebenden wie für die Toten. Fast wie bei einem klassischen Point & Click-Adventure erzählt PILLARS OF ETERNITY seine Geschichte nicht in cineastischen Cutscenes, sondern in braven Ingame-Sequenzen mit wenig Dialog und umso mehr Text. Dazu erlauben zahllose Erläuterungs-Panels dem Spieler, tiefer in die Spielwelt einzutauchen. Allerdings kann die deutsche Übersetzung nicht wirklich mit dem Original mithalten, und wörtlich übersetzte englische Sprichwörter sorgen für den einen oder anderen unfreiwilligen Lacher.
Eora ist in viele kleine Sandboxes unterteilt, die mit wunderschönen, detailverliebten Kulissen daherkommen. Abseits des Weges stößt man auf diverse Side-Quests mit variablen Handlungssträngen. Überhaupt bietet PILLARS OF ETERNITY ein mehr als opulentes Betätigungsfeld. Allerdings wirkt die Quest-Mechanik mit unzähligen Möglichkeiten und Variablen doch recht überfrachtet. Der Anspruch ist auch im niedrigsten Schwierigkeitsgrad amtlich, und Tutorials sucht man vergeblich. Dafür ist der Plot der meisten Aufgaben weitab vom üblichen Design, und der Spieler wird oft zu moralisch fragwürdigen Entscheidungen à la „The Witcher 3“ gezwungen, die seinen Ruf und damit den weiteren Spielverlauf prägen.
Das Gameplay fokussiert deutlich auf die Schlachten und bedient sich dafür traditioneller Charakterklassen, wie Tank, Damage Dealer und Heiler. Magier und Distanzkämpfer dürfen natürlich nicht fehlen. Egal ob gegen ein paar Wegelagerer oder riesige Monster, jeder Kampf will ernst genommen werden. Spätestens bei größeren Gegneransammlungen sollte man taktisch flexibel sein und die Semi-Echtzeit-Mechanik verinnerlicht haben. Das Regenerationssystem von PILLARS OF ETERNITY funktioniert sehr durchdacht. Während einer Schlacht verlieren die eigenen Figuren lediglich regenerierbare Ausdauer, der Gesundheitsbalken wird erst nach dem Scharmützel belastet und verlangt Ruhephasen. Entscheidend für das Kriegsglück der eigenen Party ist auch die Ausrüstung. Das Spiel generiert jede Menge Loot mit einer Fülle an spezifischen Daten. Für das Inventarmanagement sollte also einiges an Zeit eingeplant werden.
Natürlich darf eine RPG-typische Charakterentwicklung nicht fehlen. Es werden ganz klassisch Erfahrungspunkte für den Level-Aufstieg gesammelt und Skillpunkte auf Talente verwendet. Dazu muss der eigene Unterschlupf verwaltet und erweitert werden.
Fazit: 2015 hat Paradox dem Genre eindrücklich bewiesen, wie man ein schickes RPG für Fans bastelt. Auch zwei Jahre später hat PILLARS OF ETERNITY nichts von seinem Retro-Charme eingebüßt und will dieses Spielerlebnis nun auch Konsolen-Spielern ermöglichen. Wer also ein umfangreiches Rollenspiel der alten Schule mit taktisch angelegten Scharmützeln und hohem Wiederspielwert sucht und diverse Stunden in das unglaublich vielschichtige Party- und Charaktersystem investieren will, wird sich alle zehn Finger nach PILLARS OF ETERNITY lecken.
VOLKERT REISS
PILLARS OF ETERNITY Complete Edition
Publisher: Paradox Interactive
Entwickler: Obsidian Entertainment
Plattgorm: PS4, Xbox One, PC
USK: ab 16
Verkaufsstart: 31. August