ART-HORROR
Adrian Gmelch legt sein zweites Filmbuch vor – und dem bekennenden Filmliebhaber gelingt es trotz zuweilen fehlender Distanz erfolgreich, akademische Inhalte leicht zugänglich zu machen.
Adrian Gmelch legt sein zweites Filmbuch vor – und dem bekennenden Filmliebhaber gelingt es trotz zuweilen fehlender Distanz erfolgreich, akademische Inhalte leicht zugänglich zu machen.
Die Filme von Christian Petzold gleichen oftmals Versuchsanordnungen, in denen er ebenso sachlich wie nüchtern die fragilen sozialen Beziehungen seiner Figuren analysiert. In seinem beklemmenden Drama „Barbara“ (2012) erzählt er von einer Ärztin in der DDR, die nach einem Ausreiseantrag in ein Krankenhaus der Provinz versetzt und ihr wiederholt Entwürdigungen ausgesetzt ist. „Undine“ (2020) ist eine ebenso zarte und geerdete wie poetische Liebesgeschichte zwischen einem Industrietaucher und einer Stadthistorikerin. Es sind einfache Geschichten normaler Menschen, die ohne pathetischen Stuck keinerlei Überhöhung erfahren.
ROTER HIMMEL reiht sich hier nahtlos ein. In langen Szenen und gedreht an Originalschauplätzen erzählt er eine unkonventionelle sommerliche Urlaubsromanze. Leon (Thomas Schubert) ist Schriftsteller und will die Arbeit an seinem zweiten Roman beenden, Felix (Langston Uibel) muss eine Bewerbungsmappe für die Kunsthochschule fertigstellen. Die beiden Kumpels aus Berlin planen zu arbeiten, als sie zusammen das abgelegene Ferienhaus von Felix' Familie an der Ostsee beziehen. Hier wohnt bereits die mit Felix befreundete Nadja (Paula Beer), welche sich mit Rettungsschwimmer Devid (Enno Trebs) abends lautstark sexuell austobt. Die Laune von Leon ist im Keller, während Felix in der Hitze die Auszeit am Strand genießt. Doch kurz nachdem Leons Verleger Helmut (Matthias Brandt) eingetroffen ist, nähert sich bedrohlich ein Waldbrand...
Regisseur und Drehbuchautor Christian Petzold legt großen Wert auf die messerscharfe Charakterzeichnung seiner Figuren, woraus im unerwartet explosiven Figurenquintett nicht nur Spannungen, sondern auch große Spannung entsteht. So lässt der egozentrische Leon jegliches Interesse an und Empathie für seine Mitmenschen vermissen. Als er seinen Verleger Helmut – der sich mehr für die Arbeiten von Literaturwissenschaft-Promovendin Nadja als Leons (offenkundig furchtbaren) Roman interessiert – nach einem Zusammenbruch auf der Onkologie besucht, glaubt er tatsächlich dessen Mär von Nierensteinen. Liebe und Eifersucht, Freude und Trauer sind jene Themen, welche große Literaten schon seit vielen Jahrunderten beschäftigen – und Christian Petzold hier insbesondere zum Ende hin mit selbstreflexivem Augenzwinkern ebenfalls verhandelt. Auch durch das nuancierte Spiel von Paula Beer („Transit“) bietet „Roter Himmel“ eine filmisch ebenso konzentrierte wie intensive Seherfahrung, die das Publikum fordert.
Als Boni sind vier Interviews auf der vorliegenden DVD enthalten. In einem davon gibt Christian Petzold reflektiert Auskunft über den Entstehungsprozess von ROTER HIMMEL und u.a. die Metapher des Waldbrands: Es gehe in seinem Sommerfilm um „das Ende eines mythischen Raums“ – ganz wie durch blockierte literarische Fantasie. Ein weiteres Gespräch mit Petzold findet sich in einem beiligenden 16-seitigen Booklet.
LUTZ GRANERT
Titel: ROTER HIMMEL
Label: good movies
Land/Jahr: Deutschland 2023
FSK & Laufzeit: ab 12, ca. 99 Min.
Verlaufsstart: veröffentlicht
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