KINOSTART: LUZIFER
Als „religiöser Alm-Horror“ wird LUZIFER in der Pressemitteilung angepriesen. Schlicht irreführende PR: Die am 28. April im Kino startende, sperrige Produktion von Ulrich Seidl („Paradies: Liebe“) verwehrt sich jeder Schublade.
Als „religiöser Alm-Horror“ wird LUZIFER in der Pressemitteilung angepriesen. Schlicht irreführende PR: Die am 28. April im Kino startende, sperrige Produktion von Ulrich Seidl („Paradies: Liebe“) verwehrt sich jeder Schublade.
Es gibt wohl kaum einen anderen deutschsprachigen Filmemacher, der die Hässlichkeiten im menschlichen Dasein in (semi-)dokumentarischer Ästhetik so schmuck- und schonungslos auslotet wie der Österreicher Ulrich Seidl („Paradies“-Triolgie). Wenn auf seiner Homepage zu SPARTA zu lesen ist, das Drama sei zusammen mit dem Nachfolger „Rimini“ zu verstehen als „Diptychon über die Unentrinnbarkeit der eigenen Vergangenheit und den Schmerz, sich selbst zu finden“, dann bekommt das Publikum eine vage Vorstellung davon, welch fordernde Erfahrung es erwartet.
Tatsächlich ist schon der Plot von SPARTA nur schwer erträglich. Ein ruhiger Österreicher namens Ewald (Georg Friedrich) geht in Rumänien freudlos seinem Alltag zwischen seinem Job im Kraftwerk und seiner eingeschlafenen Beziehung mit seiner Partnerin (Florentina Elena Pop) nach, bei der er keinen mehr hochbekommt. Vielmehr erregen ihn neuerdings kleine Jungen, deren Nähe er sucht. Er bricht mit seinem bisherigen Leben und eröffnet in einem kleinen Dorf eine Judo-Schule, in der er zunächst kostenlose Trainings, später Freizeitbeschäftigung für Kinder anbietet. Acht Jungen aus schwierigem Elternhaus besuchen das Areal täglich, welches der zunehmend auf Tuchfühlung gehende Ewald bald von Holzpalisaden einfasst und Sparta tauft. Doch im Dorf regt sich Widerstand und Misstrauen gegenüber Ewald…
SPARTA sorgte vor seiner geplanten Premiere auf dem Toronto Film Festival 2022 für einen handfesten Skandal. Die Kinder – allesamt Laiendarsteller – wurden zum Teil zu Nacktszenen oder Konsumieren von Alkohol genötigt und nicht darüber aufgeklärt, dass es bei den Berührungen des hier abermals ebenso spröde wie stark aufspielenden Georg Friedrich („Große Freiheit“) um Pädophilie gehe, recherchierte DER SPIEGEL (die englischsprachige Version des Artikels ist ohne Abo abrufbar). Das überschattete die abermalige Brillanz, mit der Ulrich Seidl (verantwortlich für Regie, Drehbuch und Produktion) hier ein schwieriges Thema seziert. Die alles andere als sympathische, aber sanftmütige Hauptfigur wird mit den brachialen Erziehungsmethoden auf dem rumänischen Hinterland rund um „männliche Härte“ konfrontiert – während Ewalds greiser und Nazilieder singender Vater (Hans-Michael Rehberg) im trotz farbenfroher Wandtapete trostlosen Pflegeheim vergeblich auf einen Besuch seines Sohns wartet. Und dabei stellt Seidl ohne zu moralisieren die Frage, was Liebe zwischen den Generationen eigentlich bedeuten kann.
SPARTA ist bei Ewalds immer stärkeren Annäherungsversuchen unangenehm, tut weh – und verweigert sich in den häufigen Totalen mit leichter Untersicht auch der Partei- oder Anteilnahme für seine Protagonisten. Auch deswegen ist es – dem Skandal zum Trotz – ein wichtiger Film, der bei good movies auf DVD und Blu-Ray vorliegt. Leider sind auf der Scheibe als Boni nur eine Handvoll Trailer enthalten – eigentlich schade, denn dieses harte Drama hätten ein paar Einblicke in seine Entstehung gut getan.
LUTZ GRANERT
Titel: SPARTA
Label: good movies (Neue Visionen)
Land/Jahr: D/A/F 2022
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 94 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht