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Schräges aus der Hauptstadt

Schnoddrig und mit breitem Grinsen: Mit IM WARTESAAL DER GLÜCKSGEFÜHLE legt Kult-Autor Mikis Wesensbitter eine kleine Sammlung ulkiger Kurzgeschichten vor. 

Berliner Schnauze, derber Witz, Liebe zu „Eisern Union“ und eine ordentliche Portion Ostalgie sind die Zutaten, mit den der ehemalige multimania-Chefredakteur Mikis Wesensbitter nun schon seit einer Dekade mit autofiktional angehauchten Romanen eine begeisterte Leserschaft um sich scharrt. In seinem neuen Buch bleibt sich der Autor treu, geht aber trotzdem einen anderen Weg.

IM WARTESAAL DER GLÜCKSGEFÜHLE vereint fünf skurrile Kurzgeschichten rund um (sehr viel) Bier, Geld und Sex. In „Vereint im Verein“ folgen wir den alkoholseligen Berliner Carlos in den etwas ominösen Nackt-Zähneputz e.V., wo er nicht nur schräge Typen, sondern auch diverse Frauen kennenlernt, mit denen er im Bett landet – nur die hübsche Sonja nicht, auch wenn er einen gleichnamigen Margarinenwürfel als Andenken zuhause platziert. Ein Absturz mit Mampe jagt den nächsten Rausch, Heinz Strunks schmutzige Prosa liegt nicht fern. In „Niemand kann dir sagen, wohin der Wind dich wehen wird“ tritt die glücklose Marion eine Stelle auf der Wohngeldstelle im Bezirksamt an – und arrangiert sich zwischen dem geschäftigen Nichtstun ihrer Kolleginnen, permanent abwesendem Chef und einem Azubi namens Leon, dessen Energydrink-Sucht ihn ins Grab führt. Dann lernt sie den „Seewolf“ Wolf Larsen kennen, der von Maskentransporten während der Corona-Pandemie profitiert. 

Die mit über 150 Seiten mit Abstand längste Story trägt den etwas ausufernden Titel „Im Wartesaal der Glücksgefühle sind alle Plätze reserviert“ und bietet einen ostdeutschen Gegenentwurf zum westdeutschen Ausverkauf durch die Treuhand. Seine Freundinnen flüchten alle nacheinander in den Westen und Peter und sein Arbeitskollege Jochen gründen die Zweiter Frühling GmbH, in der sie Ost-Immobilien unter ihre Fittiche nehmen. Hier übertreibt es Mikis zuweilen  mit seiner „Wessi“-Karikatur, wenn die neue Chefin Sabine von Rosenblut als SM-Domina vermeintlich faulen ostdeutschen Männern bestrafen und Fleiß beibringen muss. Danach folgt im kurzweiligen Leseband „Wenzels Kur-Tagebuch 1982“, der mit den schnoddrigen Beschreibungen aus einem militanten Fett-Camp ans Figurenarsenal der beiden im Tagebuch-Stil geschriebenen Romane „An der Mittellinie stehen die coolen Jungs“ und die Fortsetzung „Die coolen Jungs stehen jetzt hinterm Tor“ andockt und hier eine Leerstelle auffüllt. Zuletzt lässt er Protagonistin Corinna in „Dinge die verloren gehen" mit dem Impfwahn während der Corona-Pandemie abrechnen.

LUTZ GRANERT

Titel: IM WARTESAAL DER GLÜCKSGEFÜHLE
Autor: Mikis Wesensbitter
Verlag: periplaneta (Edition Subkultur)
Erscheinungsform & Seitenzahl: Klappenbroschur, 238 Seiten
Verkaufsstart: veröffentlicht