Buchmesse Leipzig: Tierische Fundstücke
Rund 300 Kilometer von Leipzig entfernt, in einem Steinbruch nahe dem bayrischen Solnhofen, entdeckt ein einfacher Arbeiter einen Einschluss im Gestein. Das Fossil wird sich als der Urvogel Archaeopteryx herausstellen – eine Art Kronzeuge von Darwins Evolutionstheorie und das bedeutendste Fossil, das jemals auf deutschem Boden entdeckt wurde. 162 Jahre später wird man in Leipzig Fundstücke wie das lesenswerte Jugend-Sachbuch DER DINOSAURIER IM FELS am Stand des Gerstenberg-Verlags entdecken, zwischen Tausenden von Besuchern und mehr als 2.000 Ausstellern – auf der ersten Leipziger Buchmesse seit 2019.
Silke Vry und Claudia Lieb versammeln in ihrem Buch ausgestorbene Urzeittiere wie den erwähnten Archaeopteryx, das Mastodon und natürlich allerhand Dinosaurier. Alle Einträge werden mit großformatigen Illustrationen, Schaubildern und Karten ergänzt und erzählen kurzweilig die Geschichte(n) archäologischer Entdeckungen. Auch als erwachsener Leser lernt man hier eine Menge!
Wer danach noch mehr über wissenschaftliche Funde und Artenvielfalt zu erfahren suchte, wurde direkt in der Nachbar-Halle am dtv-Messestand fündig, wo das Sachbuch EXPEDITIONEN ZU DEN ERSTEN IHRER ART spannende Hintergründe über Tierarten und ihre erstmalige Beschreibung bot. Autor Michael Ohl, Kurator am Berliner Museum für Naturkunde, widmet sich dabei zehn tierischen Beispielen, die er mit interessanten Erläuterungen zu Evolution und Taxonomie anreichert. Es sind Geschichten von gezielter Suche oder bloßen Zufallsfunden, von „Stars der Artenentdeckung“ wie Quastenflosser oder Schnabeltier bis zu unscheinbaren oder nur in Fachkreisen bekannten Arten. Ein Highlight des Buches sind die historischen Abbildungen von mitunter erstmaligen Darstellungen uns heute geläufiger Tierarten.
Entdeckungen im (nächtlichen) Tropenwald
Ohls mitunter sehr komplexe Wissenschaftler-Schreibe ist für ein Sachbuch mit breitem Publikum nicht unbedingt optimal. Dafür ist aber seine offenkundige Faszination für das Thema so erfrischend wie ansteckend. Er zeigt sich besonders begeistert von der Artenvielfalt Neuguineas, wo in den Regenwäldern wohl bis heute noch unzählige Unentdeckte auf ihre erstmalige Beschreibung warten.
Wer selbst die Tierwelt tropischer Waldgebiete erleben möchte, ist im Zoo der Messestadt an der richten Adresse. Das bewies am Samstagabend ein Veranstaltungshighlight des Wochenendes: Der Hanser-Verlag hatte zur Lesung in die Tropenerlebniswelt Gondwanaland mit der Biologin Sophia Kimmig geladen. Bevor sie ihr Buch LEBENDIGE NACHT vorstellte, konnten die Besucher die schwülwarme abendliche Tropenwelt erkunden. Im Dämmerschein der spärlichen Beleuchtung konnte man manchen Insel-Flugfuchs unter der gigantischen Kuppel des Gondwanalands vorbeihuschen sehen.
Nach dieser außergewöhnlichen Einstimmung konnte man von Sophia Kimmig auf äußerst unterhaltsame Weise mehr über die nachaktive Fauna in heimischen und fremden Gefilden erfahren – von Wildscheinen im nächtlichen Berlin bis zum Tüpfelkuskus, der in den Regenwäldern Neuguineas lebt. Der Abend zeigte: Die promovierte Biologin versteht es ideal, ihr Fachwissen kurzweilig und zugleich seriös zu verpacken, sowohl in ihren Texten als auch im spontanen Live-Vortrag. Das ist Wissenschaftskommunikation at its best – und für sich genommen schon eine wirklich lohnenswerte Entdeckung dieser Buchmesse.
von FRANK KALTOFEN
AUTORIN: Silke Vry
ILLUSTRATORIN: Claudia Lieb
TITEL: Der Dinosaurier im Fels. Die abenteuerlichen Geschichten der ersten Knochenjäger
VERLAG: Gerstenberg
Hardcover, 112 Seiten
AUTOR: Michael Ohl
TITEL: Expeditionen zu den Ersten ihrer Art. Außergewöhnliche Tiere und die Geschichte ihrer Entdeckung
VERLAG: dtv
Hardcover, 304 Seiten
AUTORIN: Sophia Kimmig
TITEL: Lebendige Nacht. Vom verborgenen Leben der Tiere
VERLAG: Hanser
Hardcover, 272 Seiten