Skip to main content

Beethovens Jugendjahre

Das zu Ende gehende Beethovenjahr 2020 hatte zahlreiche Ausstellungen, Konzerte und andere Events im Gepäck und machte natürlich auch vor dem deutschen Comic-Markt nicht Halt. Der Carlsen-Verlag legte bereits im Frühjahr mit „Beethoven: Unsterbliches Genie“ (von Peer Meter) vor; es folgte im September „Mythos Beethoven: Die Comic-Biografie“ (von Moritz Stetter) bei Knesebeck. Die jüngste Publikation beschert uns nun der Avant-Verlag aus Berlin, der sein gutes Händchen für qualitativ hochwertige Comics immer wieder aufs Neue beweist. So auch im Falle von GOLDJUNGE, der biografisch angelegten Graphic Novel von Mikael Ross.

Nun ist es leider so, dass einige Comic-Zeichner bei Künstlerbiografien den Drang haben, selbst besonders künstlerisch wertvoll mit ihrem Subjekt umzugehen – sozusagen die eigene Kunstfertigkeit am Portraitierten zu beweisen, sie ihm gleichsam aufzudrücken. Bei Mikael Ross ist das glücklicherweise nicht der Fall – vielleicht auch, weil der Berliner Zeichner spätestens seit seinem mit dem „Max und Moritz-Preis“ prämieren Comic „Der Umfall“ niemandem mehr etwas beweisen muss.

Das heißt nicht, dass Ross nicht offensiv mit dem umgeht, was ihm Musik und Komponieren an grafischen Ansatzpunkten bieten. Es geht mitunter wild zu auf den rund 190 Seiten seiner Beethoven-Erzählung: farblich gekonnte Wechsel zwischen düster und knallbunt, stellenweise ganz- und doppelseitige Zeichnungen – GOLDJUNGE ist abwechslungsreich, textlich unverblümt (mitunter geradezu vulgär) und enorm temporeich erzählt. Die gekonnte Plotentwicklung ist dabei auch Jean-Baptiste Coursaud zu verdanken, der bereits beim vielgelobten „Der Umfall“ an der Konzeption der Erzählung beteiligt war.

Mikael Ross hat die Jugendjahre des Musikgenies basierend auf einer lang vernachlässigten Quelle erschlossen: dem Bericht eines Bäckermeisters, der in Bonn als Nachbar der Familie van Beethoven aufgewachsen war. Wir erleben den alkoholkranken Vater, der das Talent seines Sohnes auszunutzen versucht; den frühen Tod der Mutter; das sich bereits in jungen Jahren verschlechternde Gehör Ludwigs. Freilich, längst nicht alle Geschehnisse in dieser Graphic Novel sind verbrieft – und spätestens beim Abortbesuch Mozarts lässt Ross seine Fantasie den Takt angeben. Viel elementarer für die Qualität seiner Comic-Erzählung ist, dass Ross seine Hauptfigur nicht zwanghaft sympathisch darzustellen versucht; dafür ist sein junger Beethoven aber umso menschlicher und somit auch irgendwie moderner, in jedem Fall zugänglicher für uns Leser.

Selbst wer keine Bezüge zu klassischer Musik oder zur Person Beethovens hat, wird darum diesen Comic nur schwerlich aus der Hand legen können. Und eigentlich möchte man auch nach dem Ende der 190 Seiten sehen, wie es weitergeht mit diesem musikalischen Goldjungen…

FRANK KALTOFEN

Titel: Goldjunge. Beethovens Jugendjahre

Text & Zeichnung: Mikael Ross

Verlag: Avant

Seitenzahl/Erscheinungsform: 192 Seiten, Hardcover