MONSTER IM EINMACHGLAS

Ein tödlicher Geist kommt aus einem Gefäß frei und findet in einer indischen Highschool-Schülerin sein neues Opfer. Der atmosphärische Horrorthriller IT LIVES INSIDE ist stimmig mit hinduistischer Mythologie angereichert – und liegt nun im Heimkino vor. 

Der junge Filmemacher Bishal Dutta emigrierte zusammen mit seiner Familie im Alter von vier Jahren erst nach Kanada, dann in die USA. Kein Wunder, dass er besonders in seiner Jugend mit seiner eigenen kulturellen Identität rang – irgendwo zwischen hinduistischen Traditionen und dem lässigen US-amerikanischen Lebensstil. Seine Sozialisation erfolgte zum Teil auch über US-Horrorfilme. Diesen Konflikt hat er in einem düsteren Debütwerk aufgearbeitet.

Samidha (Megan Suri) – oder kurz: Sam – kommt zwar aus einem traditionellen indischen Elternhaus, hat sich aber an die liberale Lebensart ihrer Klassenkameraden auf der Highschool angepasst. Der sportliche Russ (Gage Marsh) hat schon ein Auge auf Sam geworfen, während sie ihre ehemals beste indischstämmige Freundin Tamira (Mohana Krishnan) inzwischen meidet. Bei einer Aussprache der beiden Mädchen geht ein Gefäß zu Bruch. Der darin gefangene Pishach entweicht: ein Geist, der neben einem Heißhunger auf Menschenfleisch auch Seelen auffrisst – und es nun (auch) auf Samidha abgesehen hat … 

Schon in den ersten Filmminuten rasiert sich Samidha ihre dunkel behaarten Arme, um „dazugehören“ zu können, und verweigert gegenüber ihrer Mutter sowohl das Sprechen auf Hindi als auch ihre Hilfe bei der Zubereitung der Prasad (Opferspeisen) für die Durga Puja (einem Fest zu Ehren der Göttin Durga). Megan Suri (aus der Coming-of-Age-Serie „Noch nie in meinem Leben …“ auf Netflix) verkörpert die ebenso verunsicherte wie neugierige und auch widerborstige Teenagerin souverän und in ihren Widersprüchen authentisch. Unter-sich-Bleiben und das Abkapseln durchs Begehen indischer Traditionen sind mit jugendlichem Freiheitsdrang und ersten Annäherungsversuchen mit dem anderen Geschlecht nur schwer vereinbar – der freigelassene Geist kann daher als Metapher verstanden werden. 

Dutta spielt mit vielen solcher Symbole und Andeutungen, weiß aber um die Funktionsmechanismen des Horrorgenres: Das Grauen ist dann am effektivsten, wenn es nur angedeutet wird – weswegen IT LIVES INSIDE Gore-Einlagen spärlich wie Nadelstiche einsetzt, dabei in vielen abgedunkelten Räume eine düstere Atmosphäre versprüht – und ganz nebenher ehrlich von den Problemen des Erwachsenwerdens in der indischen Community erzählt. 

Unser Interview mit der Hauptdarstellerin des Films, Megan Suri, findet Ihr hier.

LUTZ GRANERT