FILMFESTIVAL: BERLINALE 2023
14 Filme, 8 Kurz-Reviews, 4,5 Tage in der Hauptstadt, 1 Text: Eindrücke von den Internationalen Filmfestspielen Berlin 2023.
Nach zwei Jahren Pandemie ist auch auf der Berlinale wieder so etwas wie Alltag eingekehrt. Heißt: volle Kinosäle auch bei sperrigem Arthouse-Filmen und eine hohe Dichte internationaler Stars. Einen Festivalbericht findet ihr im multimania #91 – hier jedoch schon einmal kurz und knapp ein paar filmische Eindrücke, die ich in viereinhalb Tagen sammeln konnte. Eine Review der Beiträge aus dem internationalen Wettbewerb gibt es auf der nächsten Seite.
ARTURO A LOS 30 (About Thirty, Sektion: Forum)
Gleich zum Auftakt eine pointierte Independent-Perle aus Argentinien um den schwulen Arturo, der mit psychischen Problemen kämpft und 2020 am Vorabend der Corona-Pandemie zu einer Hochzeit seiner besten Freundin Dafne eingeladen ist. Die läuft aus dem Ruder: Nach einem Autounfall entführt er einen Kellner hinter dem Baum auf einer Wiese vor der Feier-Location – doof nur, dass Arturo während seines Blow-Jobs ein Feuerwerk startet und die Partygäste hinauslockt... Ein trotz souveränem Gespür für Situationskomik durch seine Thematisierung brüchiger Beziehungen zu (heteronormativen) Eltern und Freunden anrührender Film, bei dem Regisseur Martín Shanly in der Titelrolle unter eigener Regie Mut zur Peinlichkeit beweist.
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PERPETRATOR (Sektion: Panorama)
Jonny (Kiah McKirnan, auf dem Foto oben in der Mitte) bekommt zum 18. Geburtstag von ihrer Tante Hildie (Alicia Silverstone) einen magischen Kuchen geschenkt, nach deren Probieren sie immer wieder die Gesichtszüge vermisster Mädchen annimmt, die mit ihr mysteriös verbunden sind. Filmemacherin Jennifer Reeder versucht sich hier erfolglos an einem feministischen Horrorthriller, der vor Blut nur so überquillt. Männer sind nur Witzfiguren, Hintergründe von Jonnys Fähigkeit werden nicht erklärt – und die Vermisstenfälle bleiben nur spannungsloses Hintergrundrauschen.
SHE CAME TO ME (Sektion: Berlinale Special Gala)
Ein Opernkomponist (Peter Dinklage, „Game Of Thrones“) und eine Schlepperkapitänin (Marisa Tomei, „The Wrestler“) landen zusammen in der Koje, während eine zwangsneurotische Psychiaterin (Anne Hathaway, „Les Misérables“) lieber ein Leben als Nonne führen möchte, weil ihr volljähriger Sohn mit einer 16-Jährigen poussiert, deren Stiefvater ihn wegen Verführung einer Minderjährigen drankriegen will. Viele Indiekino-Versatzstücke werden in Gehirnfurzmanier im diesjährigen, reichlich konstruierten Eröffnungsfilm der Berlinale von Rebecca Miller („Maggies Plan“) zu einer vordergründig witzigen, aber auch arg merkwürdigen Tragikomödie zusammengeworfen, dessen Merkwürdigkeit durch die am Ende aufgeführte „Hurry Hurry“ genannte Weltraum-Oper um einen dämonischen Alien-Vater unterstrichen wird. Aber was tut man nicht alles für ein paar Stars auf dem roten Teppich?
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