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Radu´s Gaming Corner: Die Kunst des Scheiterns

Neues Jahr, neues Glück! Gute Vorsätze wie z. B. mehr Sport machen, endlich seine Pile of Shame abzuarbeiten oder einen Traum zu verwirklichen wirken zu Beginn des Jahres einfach. Wenn sich der Alltag einschleicht, werden Pläne jedoch schnell wieder verworfen und man rutscht manchmal sogar in ein mentales Loch rein. Eine gute Gelegenheit, im Scheitern eine Kunst und den besten Lehrmeister zu entdecken.

Es ist schon wieder passiert! Nach langer Vorfreude flimmert endlich das „Soul Reaver“ Remaster über eminem Bildschirm, auf das ich so lange gewartet habe. Also hingesetzt, Videoaufzeichnung gestartet und losgelegt. „Wow, es spielt sich noch genauso, wie vor 25 Jahren!“ denke ich noch und spiele bis zur ersten Begegnung zwischen Kain und Raziel. Danach geht es weiter, das zerfallene Nosgoth zu erkunden. Bereits 2 Stunden auf der Uhr, einige Kräfte erlangt und dann …komme ich nicht weiter! Es soll nicht die einzige Stelle im Spiel sein, vor der ich ratlos stehe und auch nach mehrmaligem Durchsuchen schlicht und ergreifend nicht mehr weiterweiß. Ein Blick in die Komplettlösung offenbart mir die simple und harte Wahrheit: Du hättest einfach nur an der Stelle hochspringen müssen, an einer anderen Stelle die andere Abzweigung nehmen oder stumpf in die Geisterwelt wechseln müssen. Da stellt sich mir die Frage, wie ich das damals ohne Lösung geschafft habe. War ich schlauer, geduldiger oder hatte ich einfach nur Glück?

Bei „Soul Reaver 2“ sollte mir das nicht noch einmal passieren, da ich auch ein Let´s Play Video drehen wollte. Also losgelegt: auch hier wieder 2 Stunden flüssig durch und dann an einer Stelle angekommen, die mich 3 Tage kosten sollte. Einerseits kann man nicht überall speichern und hat auch mal Passagen, wo man 20 Minuten durchmuss, ohne zu speichern. Dann ist es besonders ärgerlich, wenn mitten in der Session die Videoaufzeichnung streikt, man durch (berufliche oder familiäre)Pflichten unterbrochen wird oder schlichtweg nicht weiterweiß und sich dadurch die Aufnahme versaut. Pleiten, Pech & Pannen und irgendwann steigert sich mein Frust und ich frage mich, ob ich vielleicht doch zu blöd bin, einige Spiele zu spielen.

Andere Situation, größerer Frust: eine Streamerin baut sich einen YouTube-Kanal auf und startet mit einem Walkthrough mit „Black Myth- Wu Kong“, das ich bereits durchgespielt habe. Als alter Souls Veteran bin ich natürlich arrogant und stolz, dieses Spiel irgendwie bewältigt zu haben. Über meine mentalen Wutausbrüche, zigfache Versuche und extremen Frust an einigen Stellen verliere ich natürlich kein Wort; bin ja schließlich viel zu stolz dafür. Dann sehe ich, wie besagte Streamerin sich durch die Horden schnetzelt und das auch richtig gut. Ich fiebere mit, freue mich für sie und dann kommt die Stelle, an der sie mehrere Bosse in einem First Try erlegt, für dich ich stellenweise 2 Tage gebraucht habe. Ich bewundere ihre Reaktionsfähigkeit und gönne es ihr aus ganzem Herzen, frage mich dann aber auch gleichzeitig, warum ich dazu nicht in der Lage war.

Mit dem Selbstzweifel ist es so eine Sache und es ist einfach, sich mental in eine Spirale zu verfangen, in der man sich allzu schnell selbst runterbuttert. Dann ist es am besten, sich genauer anzuschauen, was dazu geführt hat, dass man gescheitert ist:

Bei „Soul Reaver“ war ich zu arrogant und davon überzeugt, alles bereits zu kennen und mich an alles erinnern zu können. Hat nicht geklappt, also ist die Konsequenz für mich, mehr Ruhe und Aufmerksamkeit in Spiele zu investieren, statt zugunsten eines YouTube-Videos einfach nur durchrushen zu wollen. Bei „Soul Reaver 2“ kamen Pannen und persönliche Lebensumstände dazu. Pannen passieren, kann man auch im Video rausschneiden. Die persönlichen Lebensumstände sind da etwas anderes. Hier plane ich feste Zeiträume ein, um ungestört am Ball zu bleiben. Schließlich liegt mein Hauptfokus auf meine Familie und der Job soll auch gescheit erledigt werden. Dann können aber auch ab 20 Uhr mal 2 Stunden investiert werden, die ich in vollen Zügen genieße. Letztes Beispiel „Wu Kong“: ja, ich bin ein Veteran, aber wenn man mich mal „Dark Souls“ oder „Elden Ring“ spielen sieht fragt man sich manchmal (zurecht), wie ich das überlebt habe. Dennoch haben mich Sorgfalt, genaues Einstudieren der Bewegungsabläuft meines Gegners und der lange Atem bei der Stange gehalten, mein Ziel zu erreichen. Hinzu kommt, dass ich mit meinen 47 Jahren vielleicht neben meiner Haarpracht auch etwas von meiner früheren Reaktionsfähigkeit eingebüßt habe. Dennoch hat mir „Wu Kong“ vor Augen geführt, dass mir solche Spiele immer noch Spaß machen, auch wenn ich mich etwas länger damit durchquälen muss. An dieser Stelle nochmal danke an die Streamerin, die mich daran erinnert hat.

Man kann also aus dem Scheitern seinen Nutzen ziehen und gleichzeitig sein Selbstwertgefühl erhalten. Es ist nicht leicht, aber letzten Endes ist die Perfektion für mich persönlich kein erstrebenswertes Zeil mehr. Lieber stolpere ich mit kindlicher Neugier durch die Spiele und mache so meine eigenen Erfahrungen. Die Fehler, die ich auf meinem Weg mache, nutze ich als Lehrmeister, denn wenn ich mir die Ursachen näher anschaue, kann ich daraus etwas lernen, besser machen und daran wachsen. Es gibt meiner Meinung nach keine besseren Erfahrungspunkte als durch das Scheitern, ausprobieren und weitermachen. Das gilt übrigens in allen Bereichen des Lebens; egal ob im Job, in der Liebe oder beim Upgraden der eigenen Gesundheit. Der Weg ist das Ziel und solange man mit Begeisterung, Ruhe und auch einer guten Priese Humor rangeht, ist es meiner Meinung nach die beste Möglichkeit, Scheitern als eine Kunst zu sehen und daran zu wachsen.

In diesem Sinne einen schönen Start ins neue (Gaming-) Jahr!

Sebastian Radu Groß

 

 

Wu Kong -Black Myth, Elden Ring, Dark Souls, Soul Reaver 2, Soul Reaver

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