RADU´S GAMING CORNER: ZWISCHEN HYPE TRAIN UND ENTTÄUSCHUNG- UNSERE ERWARTUNG AN NEUE GAMES
Dragon Age- The Veilguard. Klingeln da bereits die Ohren? Bereits vor dem Release wurde im Netz viel diskutiert, Hoffnung geweckt und Enttäuschung vorhergesagt. Doch was steckt eigentlich hinter unserer Erwartungshaltung und wie wirken sich die äußeren (und inneren) Umstände darauf aus? Das aktuelle Dragon Age ist ein gutes Beispiel, um unsere Erwartungshaltung bei Games einmal näher zu beleuchten. Lehnt euch zurück, schnappt euch ein gemütliches Getränk und Vorhang auf für unsere kleine Analyse.
Da war doch mal dieses eine Spiel, das mich unerwartet direkt in seinen Bann gezogen hat. Seine Charaktere hatten packende Geschichten zu erzählen, der Soundtrack war eines Hans Zimmer würdig und die Grafik hat mich damals wochenlang vor dem Bildschirm gefesselt. Das ist mittlerweile schon wieder 10 Jahre her; ich hatte gerade bei einem neuen Arbeitgeber angefangen, war frisch mit meiner Freundin zusammen und habe noch in einer anderen Stadt gewohnt. Das waren noch Zeiten, und das Spiel dazu wird mich immer daran erinnern.
Da haben wir bereits den ersten Punkt, warum es viele neue Releases heutzutage schwer haben, bei uns zu bestehen. Da ist zum einen der Nostalgiefaktor. Wir erinnern uns an ein vorangegangenes Spiel der Entwickler oder einen vorherigen Teil einer Spielereihe und verbinden automatisch damit unsere Gefühle an unsere persönliche Vergangenheit, die uns (im Gegensatz zu heute) viel leichter und teilweise unbeschwerter erscheint. Dazu einen würdigen Nachfolger zu erschaffen ist schwer, denn nicht nur wir haben uns verändert, sondern auch die Menschen, die damals das geliebte Spiel entwickelt haben. Um neuen Releases also erstmal eine Chance einzuräumen, müssen wir uns von der Glorifizierung des Vorgängers ein wenig lösen. Auch wenn es damals episch war; die erste Spielerfahrung seines Lieblingsspiels wird kein Nachfolger jemals 1:1 ersetzen können.
Mit neuen Spielen ist es manchmal auch, wie mit einem guten Essen; je nachdem, wie es auf der Speisekarte steht bzw. angekündigt wird, so haben wir dazu auch eine gewisse Erwartungshaltung. Ein simples Beispiel gefällig? Elden Ring wurde mit einem epischen Trailer angekündigt. Und hatte lediglich die Info, dass die Souls Macher nun mit dem Autoren George R.R. Martin (Game of Thrones) zusammenarbeiten. Danach wurde es lange Jahre still um das Projekt, ohne irgendein Lebenszeichen von sich zu geben. Dann kam, quasi aus dem Nichts, ein epischer Gameplay Trailer mit fetter Soundwand, knackigen Bosskämpfen und einer Atmosphäre, die allen Dark Souls Veteranen den Mund wässrig machte. Direkt am Ende des Trailers kam ein Release Datum (in 6 Monaten), Collector´s Edition und Homepage am Start. Zack, Bumm, viel Spaß damit! Mit dieser Überrumpelungstaktik hatte man mich direkt im Kasten und der Hype Train war in meinem Kopf eingefahren und ich nahm mir direkt für den release Urlaub.
Im aktuellen Beispiel Dragon Age war die Präsentation etwas anders; nachdem man in Form eines Trailers seine Ankündigung gesetzt hatte, wurde es ebenfalls still um Dragon Age. Wenige Monate vor dem release kündigte man dann direkt das neue Spiel an, dass unter neuem Namen erscheinen sollte („The Veilguard“ statt „Dreadwolf“; meiner Meinung nach ein besserer Titel, weil alles, was mit „Guard“ zu tun hat, für mich cooler klingt. Egal, ob der Skyrim DLC „Dawnguard“ oder meine Lieblingsband BLIND GUARDIAN). Danach gab es einen Trailer, der die Gemüter direkt spaltete; die Figuren sahen teilweise schon fast aus wie bei Fortnite (um Gottes Willen!) und bei weitem nicht so finster, wie in den Vorgängern. Es gab zwar auch eine Collector´s Edition und auch nach der Ankündigung regelmäßig Infos, aber trotzdem wollte der Hype Train irgendwie nur schleppend ins Rollen kommen. Daran änderten auch die ersten positiven Reviews nichts, denn darauf hatten die Hater im Netz nur gewartet, um der Presse Bestechlichkeit und Geldmacherei bzw. Werbeeinnahmen seitens des Publishers vorzuwerfen. Nein, Dragon Age hatte wahrlich keinen leichten Start, trotz netter Speisekarte.
Daran dürfte auch der Ruf des Studios schuld sein. Einst standen Großtaten wie „Baldur´s Gate“, „Mass Effect“, „Knights of the Old Republic” und natürlich “Dragon Age Origins” auf der Agenda von Bioware. Eigentlich eine epische Agenda, auf die man sich berufen könnte, hätte man sich mit „Anthem“ nicht ins eigene Knie geschossen. Das Konzept von dem feuchten Traum aller Mechroboterkämpfer war meilenweit von der Erwartungshaltung der Fans entfernt und konnte keinen Fuß fassen. Zu dünn war die Geschichte im Vergleich zu vorangegangenen Großtaten, das Multiplayerkonzept halb ausgegoren und die Technik stellenweise fernab von Gut und Böse (Ladebildschirm von über einer Minute zu Release ist definitiv glatter Selbstmord). Zwar hatte man versucht, das Debakel mit Patches und Versprechungen zu beheben, doch letzten Endes starb „Anthem“ dann doch den Permadeath und blieb als Schandfleck auf Bioware haften.
Eigentlich schade, denn auch wenn man als Schuster bei seinen Leisten bleiben sollte, ziehe ich den Hut vor den Entwicklern, die den Mut hatten, etwas Neues auszuprobieren. Ich persönlich hatte einige schöne Stunden nach dem ersten Patch in Anthem und wären es andere Entwickler (oder ein Seitenprojekt von Bioware-Entwicklern) gewesen, wäre es vielleicht nicht so übel ausgegangen. Als dann noch diskutiert wurde, ob man das nächste Dragon Age auch als Service to Pay bzw. Multiplayer aufziehen sollte, stand das Entwicklerstudio endgültig auf der Abschussliste der Fans. Der Werdegang und das Image eines Studios spielt also auch eine entscheidende Rolle. Aus diesem Grund hat man CD Projekt auch bei „Witcher „“ und „Witcher 3“ mal eben verziehen, dass die Spiele wenige Monate vor release nochmal um ein Jahr verschoben wurden. Im Gegenzug bekam man qualitativ hochwertige Abenteuer geliefert, von einem Studio, das seinen Fans besonders nah sein wollte. In einem Punkt spielen sowohl CD Projekt, Bioware und auch Larian Studios in einer ganz eigenen Liga: alle sind meisterliche Geschichtenerzähler!
A apropos Larian: „Baldur´s Gate 3” ist der beste Beweis, für unsere Erwartungshaltung in Sachen Fortschritt der gesamten Spielindustrie. Während Bioware bei „Baldur´s Gate 2“ führend in Sachen Rollenspielen war, so zog die Witcher Reihe und Larian Studios mit ihren Spielen im Laufe der Jahre nach und legten die Messlatte in Sachen Erwartungshaltung in schwindelerregende Höhen. Es gibt (fast) gar nichts, was man in „Baldur´s Gate 3“ nicht anstellen kann und man hat alle Freiheiten, die man sich nur vorstellen kann. Dazu charismatische Charaktere, voll vertont, herrliche Grafik, fantastischer Soundtrack und vertonte Gespräche. Rollenspielherz, was willst du mehr? Die Kultfigur Geralt von Riva steckte ursprünglich nur in Büchern, ehe sie von CD Projekt derart geschickt auf die Gamer Szene losgelassen wurde, dass es mittlerweile sogar eine Serie davon gibt. Wie soll da ein altes Studio wie Bioware noch locker am Puls der Zeit mithalten können?
Letzten Endes sickern vor Release dann doch die ersten Tests durch. Influencer schieben ihre YouTube Videos ins Netz, die einen ersten Eindruck geben und stündlich vermehren sich erste Let´s Play Videos auf den sozialen Medien. Wie kann und möchte man da noch ein Spiel genießen und was sollte (oder darf) man davon erwarten? Bei Dragon Age gab es ein Testvideo, das eine eindrucksvolle Schlacht zeigte; grüner Nebel, ein riesiges Gesicht am Himmel und Drachen. Das hatte mir gereicht und ich hatte dann direkt bei Steam zugeschlagen und mich danach nicht mehr damit beschäftigt. Ohne weiteren Erwartungsdruck schaufelte ich gemütlich 5 Spielstunden auf die Uhr und musste überrascht feststellen, dass mir das Spiel sehr gut gefällt. Die Charaktererstellung macht Spaß, die Atmosphäre ist für mich komplett Dragon Age, das actiongeladene Kampfsystem empfinde ich als erfrischend und ich verfolge mit Spannung und Neugierde die Geschichten, die mir erzählt werden.
Keine Vergleiche mit anderen Spielen, kein Bedauern, dass ich andere Erwartungen hatte und nicht einmal der Gedanke an vergangene Pannen des Entwicklerstudios schmälern die Spielstunden bis jetzt. Stattdessen wandle ich mit kindlicher Neugier und jahrelanger Gamingerfahrung durch die Spielwelt, erfreue mich an dem liebevollen Design und baue langsam (aber sicher) eine Beziehung zu meinen Gefährten auf. Manchmal ist die beste Erwartungshaltung, alle Erwartungen, Infos und Vergleiche über Bord zu werfen und sich ein eigenes Bild zu machen. Auf diese Weise kann ich Dragon Age The Veilguard zurzeit sehr genießen und distanziere mich komplett von irgendwelchen Diskussionen, die es mir nur madig machen können. Letzten Endes ist mir nur eins wichtig: wie gefällt mir das Game persönlich? Denn wenn ich mich darauf einlasse, kann ich es genießen und damit auch neuen Spielen eine Chance geben, einen besonderen Stellenwert in meinem Leben einzunehmen.
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