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Die stille Kraft des Durchhaltens

Einfühlsam, schonungslos und kraftvoll erzählt DIE HERDE DES CURROS CAZA  vom Überleben in einer Welt voller Rückschläge – und bleibt dabei dennoch hoffnungsvoll.

Der Verkaufsstart von Paco Sandts Roman DIE HERDE DES CURROS CAZA erfolgte im Mai mit einer geringen Aufmerksamkeit. Kein großer Verlag, keine aufwendige Werbekampagne, keine Platzierung auf den Bestsellerlisten. Und doch ist dieses Buch ein kleines literarisches Ereignis: kompromisslos, ehrlich und tief bewegend.

Im Zentrum der Geschichte steht Curros Caza, der kurz nach seinem 23. Geburtstag die Diagnose Multiple Sklerose erhält, die sein Leben von Grund auf erschüttert. Die chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems bringt ihn aus dem Tritt – körperlich, psychisch und sozial. Die Symptome kommen in Schüben, greifen an, lassen nach, nur um auf unvorhersehbare Weise zurückzukehren. Eine Heilung ist nicht möglich und die Krankheit stellt das ganze Leben infrage. Auch Curros’ langjährige Beziehung zerbricht daran. Sandra, die sieben Jahre älter ist, trennt sich von ihm und Curros zieht in der Wohnung seines Bruders Abel ein – mitten in ein Viertel, das er eigentlich hinter sich lassen wollte. Gewalt, Drogen, Verzweiflung. Hier war Curros einst tief verstrickt, doch er hatte geglaubt, diesem Milieu entkommen zu sein. Jetzt ist er zurück – mit einer Krankheit, die alles unsicher macht, was eben noch Halt versprach.

Zehn Jahre später begegnet Curros seiner früheren Partnerin Sandra erneut. Nun ist sie es, die schwer krank ist. Sie hat Gebärmutterhalskrebs, der bereits metastasiert ist. Es ist ein stilles Wiedersehen, das nicht auf Versöhnung, sondern auf gegenseitiges Verständnis zielt. Trotz seiner eigenen fortschreitenden Erkrankung begleitet Curros sie. DIE HERDE DES CURROS CAZA ist weit mehr als ein „Krankheitsroman“. Es ist ein Buch über soziale Herkunft, über Chancenungleichheit, über das Ringen mit sich selbst – und darüber, was bleibt, wenn alle Sicherheiten wegbrechen.

Paco Sandt gelingt dabei etwas Seltenes: Er schreibt literarisch dicht, ohne Pathos. Seine Figuren sind tief gezeichnet, sie tragen ihre Geschichte sichtbar mit sich, ohne je zur Karikatur zu werden. Curros ist kein Held, kein moralischer Kompass – er ist jemand, der überlebt, weil es keine Alternative gibt. Und das macht ihn glaubwürdig. Auch Abel, der Bruder, bleibt ambivalent: loyal, ruppig, ein Relikt aus einer anderen Welt, die noch immer in die Gegenwart hineinragt.

DIE HERDE DES CURROS CAZA ist ein leises Meisterwerk. Es erzählt von Schmerz, Verzweiflung und Absturz – und zugleich von Zärtlichkeit, Brüderlichkeit und kleinen Momenten der Nähe. Ein Roman, der nicht laut sein muss, um zu bleiben.

PETER ELWE

Titel: DIE HERDE DES CURROS CAZA
Autor:  Paco Sandt
Verlag:  Independently published
Erscheinungsform & Seitenzahl: Taschenbuch,  155 Seiten
Verkaufsstart: veröffentlicht