DIE BLUTKATHEDRALE MMXXI
Mit der Einstellung des Blutwut-Verlags dieses Jahr existierte ein Forum für deutschsprachige (Kurz-)Geschichten aus dem Genre Horror weniger. Schön, dass DIE BLUTKATHEDRALE diese Lücke füllt. Und gerade für die Weihnachtsfeiertage ein hübsches Kontrastprogramm bietet.
Das „Do-it-yourself-Pulpzine“ (so die Eigenbeschreibung) kommt in überladener Optik daher: Die gesamte Ausgabe mit insgesamt neun Kurzgeschichten verschiedener Autoren wurde unter Leitung der Kulturwissenschaftler Daniel Appel und Rudolf Inderst in Kooperation mit dem Künstler Schwarzensee gestaltet, der für jede der 132 Seiten schaurige Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Monstern und Monströsitäten, die an Artworks für klassische Metal-Alben erinnern, mit dickem Strich beisteuerte. Das Layout, das an herausgerissenene und zu Collagen zusammengeklebte Schreibmaschinenseiten erinnert, ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Doch wer darüber hinwegsieht, dem werden einige hervorragende Gruselgeschichten geboten, die umso mehr Klasse aufweisen, je weniger sie sich im Blutrausch verlieren.
„Die Sturmflut“ von Cornelia Stegemann, eigentlich in einer PR-Agentur tätig, bietet rund um die merkwürdigen Vorgänge in einem Leuchtturm hervorragenden Spannungsaufbau, bei der Milieuzeichnung ein Gespür für die unterkühlte norddeutsche Mentalität und eine beinahe beiläufig eingeflochtene Referenz auf die Literatur von H.P. Lovecraft. Ihr Beitrag ist das Highlight der Ausgabe, gefolgt von „Das eine Gebot“ aus der Feder des erfahrenen Literaten Martin Spieß, in der eine an die Kräfte der Natur glaubende Hexentochter mit Namen Harild in einem Schlachthof mit ihrem Job hadert. Die in kryptischen Ellipsen erzählte Verschwörungstheorie-Erzählung „DAnon“ von Christian Hubert ist indes wirr und auch „Die finale Fassung“ von Schwarzensee selbst um einen Freelancer einer Werbeagentur, der während einer ausufernden Mordserie durch eine Sekte unter Zeitdruck eine Katalog layouten muss, ist misslungen – verliert sie sich doch in Gewaltfantasien und Vulgarismen, um bei etlichen Genreklischees vom Mangel eigener Ideen abzulenken. DIE BLUTKATHEDRALE MMXXI, die zweite Ausgabe des Magazins, ist aber dennoch gelungen und durch seine Pulp-Optik als Alleinstellungsmerkmal ein Hingucker – denn gerade Heimwerker wissen, dass unter dem DIY-Credo nicht alles immer gleich komplett gelingen kann.
LUTZ GRANERT
Titel: DIE BLUTKATHEDRALE MMXXI
Verlag/Herausgeber: Daniel Appel/Rudolf Inderst
Seitenzahl: 132
Bestell-Link: bit.ly/2WYC0VD
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