Robert Crumb: Amerika
Comic-Superstar Robert Crumb war einer der ersten Selbstentblößer im Reich der bunten Bildergeschichten – es gibt kaum jemanden, der sich in den letzten Jahrzehnten seinem Publikum so dermaßen offenbart hat, im Guten wie im Schlechten; jemanden der sich so ungeniert selbst seziert und dabei gleichzeitig hemmungslos gegen alles und jeden austeilt.
Besonders manifestiert sich das im empfehlenswerten Band AMERIKA, erschienen bei Reprodukt, der zwischen 1969 und 1993 entstandene Geschichten versammelt. Denn der Comicpapst geht hier so harsch mit seinem Heimatland ins Gericht, dass man teilweise fast schon ein bisschen die pure Verachtung von den Seiten tropfen sieht. Letzteres betrifft vor allem seine beiden kontroversen Geschichten „Wenn die Nigger an die Macht kommen“ und „Wenn die verfluchten Juden an die Macht kommen“ in denen in geballter Form hohle rassistische Klischees unkommentiert auf die ironische Spitze getrieben werden – was einige hirnbefreite US-Nazis tatsächlich auf den Gedanken brachte, dass Crumb einer der ihren ist, aber ebenso unter Rezensenten wie Leser für Verwirrung sorgte, obwohl die Stoßrichtung eigentlich mehr als klar ist. Aber für manche Zeitgenossen ist offenbar selbst die Brechstange noch zu subtil.
Aber auch im Rest der Sammlung teilt der Provokateur munter nach allen Seiten aus: Egal ob Charles Manson, Oscar-Verleihung oder die militant-revolutionäre Szene der 1970er: Jeder kriegt sein Fett weg. Als fast schon beängstigend visionär entpuppt sich dabei der Sechsseiter „Den Finger drauf“, in dem der Crumb höchstpersönlich sich ein bissigen Schlagabtausch mit keinem geringeren als Donald Trump („Einer der übelsten Menschen der Welt“) liefert, der mit Trumps Kopf in der Toilettenschüssel endet – ein Ende, das selbst das Comic-Genie für zu unrealistisch hält.
THORSTEN HANISCH
Titel: AMERIKA
Autor/Zeichnungen: Robert Crumb
Verlag: Reprodukt
Erscheinungsform/Seitenzahl: Hardcover mit Leinenrücken, 96 Seiten
Verkaufsstart: veröffentlicht
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