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Was würde Loriot tun?

Die lockerleichte romantische Krimikomödie DIE FARBE DER STERNE eignet sich hervorragend als Urlaubslektüre. Die beiden Autoren des Romans waren auch an der Umsetzung des Hörbuchs beteiligt, welches nun bei LAUSCH medien mit einem hochkarätigen Sprecher:innen-Ensemble von Justus Von Dohnányi über Stefan Hunstein und Laura Karasek bis hin zu Juliane Köhler an den Start geht. 

Wir sprachen mit Regisseur und Sprecher Stefan Lukschy und Musik-Produzent und Text-Dichter Curtis Briggs über perfekte Pointen, pingelige Perfektion und pfiffige Persönlichkeiten. 

Ihr beide entstammt Künstlerfamilien. Viele Familienmitglieder waren beim Theater, bei Film und Fernsehen oder als Opernsänger tätig. Wie hat sich das auf eure Jugend ausgewirkt und wie hat es euch fürs Berufsleben geprägt?

Stefan: Bei mir führte das dazu, dass die Eltern beide viel unterwegs waren. Ich war schon als Kind viel backstage im Theater und in Filmstudios. Das ist für ein Kind eine unglaublich faszinierende Welt, wenn ganze Häuser in Pappmaché nachgebaut und in Hamburg nachts Edgar-Wallace-Filme mit einem furchteinflößenden Klaus Kinski gedreht werden. Dadurch, dass meine beiden Eltern selbstständig waren, konnte ich mir schnell vorstellen, als freier Künstler zu arbeiten und nicht angestellt zu sein. Das war normal.

Curtis: Bei mir ging das erst mit der Ankunft in Europa los. Weil meine Tante Schauspielerin und Sängerin und meine beiden Onkel Filmregisseure waren, konnte ich in den Sommerferien schon immer ein bisschen am Set mitarbeiten. 

Stefan Lukschy

Stefan, du hast ab 1975 mit Vicco von Bülow alias Loriot zusammengearbeitet, zunächst als Regieassistent und Cutter, dann zusätzlich als Dramaturg und Co-Regisseur, wobei du an den legendären Fernseh-Sketchen mit der Nudel oder dem Kosakenzipfel beteiligt warst. Gibt es hier etwas, was deine Handschrift trägt?

Stefan: Ich war in dem ganzen Prozess sehr involviert. Es ging damit los, dass Loriot und ich uns gelegentlich gemeinsam in die Berge zum Brainstorming zurückgezogen haben. Ich war so eine Art Sparringspartner für ihn. Ich meine mich zu erinnern, dass bei der Moderation zu einem der Flugzeug-Sketche die Formulierung von mir angeregt wurde: „Früher war der Adler der König der Lüfte und heute ist es der Mensch. Wobei es ihm als einzigem Lebewesen gelingt, während des Fluges eine warme Mahlzeit einzunehmen.“  

Curtis: Und die Sache mit der Kunstnudel…

Stefan: Natürlich! Danke, Curtis! Als wir die Szene mit der Nudel, die auf dem Espresso schwimmen sollte, drehten, ging die weichgekochte Original-Nudel sofort unter wie eine bleierne Ente. Ich habe dann aus einer Zigarettenschachtel eine kleine Pappnudel gedreht und geformt und auf den Espresso gelegt – und die schwamm. Wenn man genau hinguckt, sieht man, dass in dem Nudel-Double ein kleiner Knick drin ist. Aber damals waren die Fernseher noch nicht so gut, da konnte man das noch machen.

Was hast du dir von Loriot abgeschaut?

Stefan: Zwei Dinge. Einmal, dass man sich bei einer Komödie nie über andere, sondern immer über sich selbst lustig machen muss. Alles, was Loriot an seltsamem Verhalten, Pedanterie, Übergenauigkeit und Spießigkeit zeigt, ist auch ein Teil von ihm selbst gewesen. Das hat er auch immer gesagt. Das andere ist: In jeder komischen Situation steckt auch eine kleine Tragödie. Es gibt immer eine dunkle Seite der Komik – und nur dann ist es wirklich komisch.

Curtis, zum Glück hast du immer ein kleines Notizbuch auf deinem Nachttischschrank liegen, denn: Du hast die Idee zu DIE FARBE DER STERNE geträumt. Ein junger Maler war mit einem Kandinsky-Gemälde im Heißluftballon auf der Flucht vor zwei Gangstern – das war der Anfang. Wie ging es dann weiter?

Curtis: Ich träume ziemlich viel und es ist schwierig, das zu behalten, wenn man aufwacht. Ich habe gemerkt, dass mich dieser Traum sehr beeindruckt hat und besonders war. Und da habe ich gleich im Bett angefangen zu schreiben, aber nur drei oder vier Zeilen. Dann wollte ich wieder einschlafen, aber dachte mir: „Das bringt’s ja auch nicht.“ Also bin ich aufgestanden, habe mich angezogen und im Nebenzimmer bis sechs Uhr morgens geschrieben. Wir hatten die Karaseks zu Besuch und ich habe die zehn oder elf geschriebenen Seiten zum Frühstück vorgelesen. Die haben dabei so gelacht und gemeint, das muss ich weiterverfolgen. 
So ist es dann dazu gekommen. Ich kenne Stefan mittlerweile seit 46 Jahren und wir haben ein großes Verständnis für unseren gegenseitigen Humor. Deswegen war er auch der erste Kontakt, den ich dann hatte.

Curtis Briggs

Eigentlich war DIE FARBE DER STERNE ja als Drehbuch für einen Film geplant – doch dann kam die Covid19-Pandemie dazwischen…

Curtis: Ja, es gab viele Leute, die meinten, dass sich der Stoff dafür besonders gut eignet – weil es ein Ensemblestück ist. Stefan Hunstein meinte bei den Hörbuchaufnahmen sofort als er reinkam: „Ich habe dieses Buch gelesen und das ist ja wie ein Film ohne Bilder.“ Das ist eine Bestätigung dafür, dass man beim Lesen und jetzt auch beim Hören ein großes Gefühl dafür bekommt, wie alles aussieht und sich anfühlt.

Stefan: Während der Corona-Pandemie war Schreiben ein magischer Vorgang. Draußen stand die Welt still und man saß in seinem Schreibstübchen und konnte quasi auf Papier den geplanten Film inszenieren. Das war die perfekte Tätigkeit in dieser Zeit, weil man ohnehin ans Haus gefesselt war. 

Wie hat sich das Umschwenken vom Drehbuch zum Roman stilistisch ausgewirkt?

Curtis: Wenn man ein Drehbuch schreibt, lässt man so viel Einzelheiten wie möglich weg. Alles muss die Kamera sehen, der Regisseur vorprägen und der Schauspieler fühlen. Beim Roman ist es umgekehrt: Da muss man so viele Details wie nur möglich hineinpacken, damit man ein Gefühl für die Szenerie bekommt oder wie die Menschen agieren. 

Ein Roman ist also intensiver zu schreiben als ein Drehbuch?

Curtis: Ja – und viel länger. Jeder Roman ist 300 bis 400 Seiten lang und ein Drehbuch viel kürzer.

Stefan: Du hast ja keine Schauspieler bei einem Roman. Und die Schauspieler bringen ja beim Film die ganze Emotionalität der Figur mit. Diese Innen- und Gedankenwelt muss im Roman beschrieben werden, man kann in die Figuren einsteigen. Bei einem Drehbuch muss nur das zwingend Notwendige rein. Ein Drehbuch ist wie eine Architekturzeichnung, wie eine Blaupause, aber ein Roman ist das fertige Haus.  

Curtis, du siehst in Sachen Humor dein Vorbild eher im Dialog- und Sketch-orientieren Witz, wie etwa bei „Monty Python“, während du, Stefan, eher feingeistig und satirisch mit kommunikativen Missverständnissen das Bürgertum aufs Korn nimmst. Sehr unterschiedliche Ansätze also. Wie habt ihr euch bei DIE FARBE DER STERNE miteinander arrangiert?

Curtis: Auch Stand-Up-Comedy hat einen großen Einfluss auf mich. (Pause) Es entwickeln sich ja Verhältnisse zwischen den Akteuren und dabei versuche ich komische Situationen einzubauen – wie etwa beim Interview der beiden Polizisten mit den Ziegelsteinen. Das ist Situationskomik vom Feinsten, zum Kaputtlachen und hat nichts damit zu tun, Donald Duck mit dem Hammer auf dem Kopf zu hauen bis er schreit…

Stefan: Nichts gegen Donald Duck! Der will jetzt übrigens seinen Vornamen ändern (lacht). Aber es ist interessant, denn der Weg von „Monty Python“ zu Loriot ist ein ganz kurzer. Im allerersten Realfilm-Sketch, den Loriot damals noch ohne meine Beteiligung gedreht hat, soll ein Astronaut interviewt werden, aber letztlich bekommt der Interviewer einen Verwaltungsbeamten vorgesetzt – und passt seine Fragen nicht an. Denselben Sketch hat John Cleese vorher gemacht mit einem Tiefseetaucher –, und Loriot hat das nur umgedreht. Zwischen den beiden besteht also eine große Seelenverwandtschaft. Loriot hat „Monty Python“ übrigens sehr geschätzt.   

Curtis: Es gab auch noch die Comedy-Serie „Fawlty Towers“, die eine gewisse Nähe zu unserem Roman aufweist, weil es da auch um ein Hotel geht – auch wenn es wesentlich kleiner ist. Das hat vier oder fünf Angestellte, liegt auf dem Land und alles geht immer schief. Da gibt es eine gewisse Verwandtschaft und ähnliche Ideen.

DIE FARBE DER STERNE ist als Roman und als Hörspiel erhältlich.

Insgesamt habt ihr vier Jahre an dem Roman gearbeitet, immer wieder telefoniert, Texte ausgetauscht, korrigiert. Gab es Punkte, an dem ihr an dem Projekt gezweifelt habt?

Curtis: Das war meistens um halb 3 Uhr morgens. (lacht)

Stefan: Wenn man zum 27. Mal dasselbe Buch liest, ist es nur noch harte Arbeit. Man denkt immer, dass es lustig ist, ein lustiges Buch zu schreiben. Klar, ist das lustig, wenn man am Anfang die Ideen entwickelt. Aber die ganze Ausführung, das Polieren des Textes, das Handwerkliche, was dazugehört, ist mühsam und alles andere als komisch. Beim Film ist es nicht anders. Erstaunlicherweise geht es beim Drehen von ernsten Filmen am Set meist lustiger zu als bei Komödien. 

Curtis: Stefan ist auch der Weltmeister im Korrigieren. Ich bin absolut nicht befähigt für sowas und sehe oftmals auch Fehler nicht. Aber er ist der Perfektionist schlechthin und nachdem er fünf weitere Male das Buch gelesen hat – ich habe bei der 18. Version aufgehört – rief er dann an einem Sonntagabend an und sagte: „Ich hab’ noch was gefunden! Ein Ausrufezeichen gehört an der einen Stelle nicht hin.“ 

Stefan: Ja, zum Beispiel.

Curtis: Ja, so war das. Dafür hat jetzt jeder Zuhörer und jeder Leser ein perfektes Buch.

Hat Loriots Perfektionismus auf dich abgefärbt?

Stefan: Naja, Billy Wilder hatte ein Schild in seinem Büro mit der Aufschrift „How would Lubitsch do it?“, weil er von dem eben alles gelernt hat – und ich habe innerlich ein Schild, auf dem steht: „Was würde Loriot tun?“. Die sprachliche Genauigkeit von Loriot ist ja legendär, und natürlich ist das schon ein Vorbild – ohne mich anzumaßen, das jemals erreicht zu haben. Beim Einlesen des Hörbuchs sind mir, wie bei Loriot, komplizierte Formulierungen und gedrechselte Ausdrücke aufgefallen, die ja die Komik der deutschen Sprache wesentlich ausmachen.

Wie kam der Kontakt mit LAUSCH medien eigentlich zustande?

Stefan: Wir waren mit unserem Buch bei einer Agentur, die einen Verlag für uns suchte. Noch bevor wir einen Printverlag hatten, wurde LAUSCH durch das Manuskript auf uns aufmerksam. Also war nach der Veröffentlichung des Buchs klar, dass wir mit LAUSCH für die Hörbuch-Adaption zusammenarbeiten würden.

DIE FARBE DER STERNE stellt eine Mischung aus Hörbuch und Hörspiel dar. Eine seltene Hybridform. Stefan, wie hast du das als Regisseur erlebt?

Stefan: Erfahrungen, einen Text in ein Hörbuch umzusetzen, hatten wir beide nicht. Aber ich habe durch meine Arbeit bei Film und Fernsehen viel Erfahrung mit Schauspielerinnen und Schauspielern. Beim Drehen habe ich auch mit den Ohren Regie geführt. Dabei waren mir Betonungen, Wort- und Satzmelodien immer sehr wichtig – auch weil das dafür ausschlaggebend ist, ob etwas komisch ist oder nicht.   

Curtis: Bei Dialogen und Situationskomik ist es wichtig, wo man die Pointe setzt. In der Stand-Up-Comedy gibt es eine Regel: Die Pointe muss soweit wie möglich nach hinten geschoben werden. Am allerbesten, wenn das letzte Wort gesprochen wird. Und es ist wunderbar, das zu üben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte LUTZ GRANERT.