In ihrer Fantasy-Reihe DIE WORTWEBERIN entführt Elvira Zeißler die Leser in eine Welt voller Illusionen und Machtspiele. Im Interview sprechen wir mit Michaela Gaertner, der Sprecherin der Hörbuchfassung.
Mit DIE WORTWEBERIN hat Elvira Zeißler eine fesselnde Welt erschaffen, die durch ihre vielschichtigen Charaktere besticht. Im Mittelpunkt steht Chiara, die als unscheinbares Mädchen beginnt und sich zu einer entschlossenen Frau entwickelt, während sie in gefährliche Intrigen verwickelt wird. Aktuell rangiert die Serie auf Platz vier der Belletristik-Charts bei Audible.
Was hat Sie dazu inspiriert, Sprecherin zu werden?
Ich habe schon immer erzählte Geschichten geliebt. Welches Kind nicht? Man nervt die Eltern, die Lieblingsbücher vorzulesen, die Großeltern, von früher zu berichten, Freunde, am Lagerfeuer Gruselgeschichten zu erzählen. Bei mir kam dann noch dazu, dass ich selbst sehr gerne gelesen habe, aber meine beste Freundin das – für mich völlig unverständlich - superblöd fand. Wenn ich mit ihr also über die ganzen wundersamen, „erlebten“ Dinge sprechen wollte, musste ich ihr erst einmal die ganz Geschichte von vorne bis hinten erzählen. Außerdem habe ich als ältestes Kind schon immer ein bisschen mehr und länger fernsehen dürfen. Das fanden meine beiden jüngeren Brüder so richtig doof. Also habe ich ferngesehen und meinen Brüdern hinterher alles brühwarm erzählt. Das fanden sie toll – unsere Eltern wiederum doof. Geschichten wie ‚Tanz der Vampire‘ oder ‚Friedhof der Kuscheltiere‘ sei nichts für kleine Jungs … Upps.
Dass Sprecherin ein für mich wirklich interessanter, wahrer, erfüllender und echter Beruf sein kann, kam erst viel später. Nach Jahren in einer anderen beruflichen Tätigkeit, die nicht annähernd etwas mit Hörbuchsprechen zu tun hat, in der ich aber tatsächlich viel und oft mit Menschen geredet habe, ihnen zum Beispiel Sachverhalte erklären musste. Und oft wurde mir da tatsächlich gesagt, dass man mir gerne zuhört, mir gut zuhören kann. (Ausländische Kunden fanden zum Beispiel mein Deutsch sehr klar und verständlich.)
Und irgendwann war da ein Gefühl. Kleine Gedanken. Immer drängender. Das drängende Gefühl, dass ich eine Veränderung brauche… Na, und dann lag erst einmal ein langer Weg vor mir. Und ich wusste überhaupt nicht, wie und wo ich starten sollte. Aber das Timing war super: Denn fast parallel trat das Medium Hörbuch (s)einen großen Siegeszug an …
Alles hat sich gefügt. Und ich bin unfassbar dankbar, dass ich tun darf, was ich tue. Und vor allem den Menschen, die mich unterstützt und immer an mich geglaubt haben. (Oft mehr, als ich es selbst getan habe).
Sie arbeiten in vielen verschiedenen Genres, von Hörbüchern bis zu Werbespots. Welche Herausforderungen oder Unterschiede gibt es beim Einsprechen dieser unterschiedlichen Formate?
Jedes dieser Genres hat eine völlig andere Intention, ein komplett anderes Ziel, und erfordert somit auch eine vollkommen andere Erzähl- bzw. Sprechtechnik. Das Sprechen eines Werbeslogans und das Erzählen eines Hörbuchs liegen für mich am weitesten voneinander entfernt. Man kann das gut mit der Malerei vergleichen:
Werbung ist wie eine Skizze oder ein Bild mit wenigen Strichen: Hier muss man mit minimalem Aufwand und wenigen gezielten Elementen eine starke Wirkung erzielen. Jeder Strich zählt, und es gibt wenig Raum für Fehler oder Ausschweifungen. Das Ergebnis ist auf den ersten Blick erkennbar. Gesprochen bedeutet das: In wenigen Sekunden mit den wenigsten Worten muss sofort etwas erzeugt werden. Die Intention: Ein bestimmtes Produkt soll gekauft werden.
Ein Hörbuch ist hingegen wie ein aufwendiges Gemälde: Viele feine Details werden zusammengetragen, um ein komplettes Werk zu schaffen. Der Betrachter kann stundenlang davorstehen, das Bild auf sich wirken lassen, viele Einzelheiten entdecken, in dem Kunstwerk versinken. Gesprochen bedeutet das: Viel Geduld, Präzision und Zeit ist erforderlich, um eine reiche und tiefgehende Geschichte zu gestalten, die den Zuhörer vollständig eintauchen lässt und fesselt. Die Intention: Ein Hörbuch dient (in erster Linie) der Unterhaltung.
Mehr zum Hörbuch? Hier findet Ihr unser Interview mit Autorin Elvira Zeißler |
Die Reihe DIE WORTWEBERIN von Elvira Zeißler enthält viele emotionale und spannende Momente. Wie bereiten Sie sich darauf vor, diese intensive Stimmung beim Einlesen zu transportieren?
Auch wenn es sich bei „Die Wortweberin“ um eine romantische Fantasy ‚Romantasy‘ handelt, agieren Elvira Zeißlers Charaktere doch sehr menschlich: Sie haben Schwächen und Stärken, sie lieben, sie hassen, sie begehren, sie trauern, sie haben Angst, sind mutig, sind ehrlich, verschlagen, gerecht oder ungerecht, sie kämpfen um ihr Glück …Sie sind einfach authentisch.
Jede (neue) Geschichte, der ich meine Stimme geben darf, lese ich erst einmal vollständig. Ich möchte die gesamte Handlung, die Charaktere und ihre Emotionen sowie Beweggründe, ihre Verbindungen zu anderen Protagonisten und auch ihre Entwicklung im Verlauf der Geschichte verstehen. Dabei passiert schon sehr viel in mir (Elvira kann auch einfach wunderbar „Bilder mit Worten weben“). Ich sehe die Geschichten (ich hatte schon immer eine lebhafte Fantasie – sehr zum Leidwesen meiner Eltern vermutlich). Wie Kopfkino. Und ich fühle mit den Figuren. Diese Bilder und Gefühle sind dann in mir (oft sehr intensiv), und ich versuche, mich während der Aufnahmen davon leiten zu lassen, gebe meiner Stimme die jeweilige Stimmung mit. Die Wortweberin ist bereits die zweite Fantasy-Reihe von Elvira, die ich als Hörbuch einlesen darf. Elvira hat sich meine Stimme gewünscht. Und ich bin ihr sehr dankbar für das Vertrauen, das sie in mich und meine Arbeit hat. Denn natürlich bleibt es nicht aus, dass ich in die erzählte Geschichte auch immer ein gutes Stück von mir selbst, meine persönliche Interpretation mit einbringe. So authentisch wie die Charaktere von Elvira geschrieben sind, so authentisch möchte ich sie auch wiedergeben. Das ist immer mein Anspruch an mich als Sprecherin. Das ist meine Verantwortung. Mein Respekt nicht nur den Autorinnen und Autoren gegenüber, sondern allen an der Hörbuchproduktion Beteiligten. Mein Hörbuch-Mantra: lesen – verstehen – verbinden – fühlen – wiedergeben.
Wie lange haben Sie Zeit, sich mit dem Buch auf die Lesung vorzubereiten?
Das hängt von verschiedenen Faktoren ab: Wann bekomme ich das Manuskript? / Wann habe ich noch einen freien Aufnahmezeitraum? / Wann plant der Hörverlag die Veröffentlichung? Wann sind die Abgabetermine bei Audible/Bookbeat & Co.? / Wann hat die Regie Zeit? …
Im Idealfall allerdings plane ich – für mich – pro Aufnahmetag (mit Regie) auch einen Vorbereitungstag. Bei einem zwölfstündigen Hörbuch kann man als Faustformel von sechs Aufnahmetagen ausgehen. Das heißt, ich bekomme ein formatiertes Manuskript vom Hörverlag, kann mich auf den Text vorbereiten (ein erstes Mal durchlesen/verstehen, Handlung erfassen, Bilder entstehen lassen, Stimmungen erfühlen, Charaktere entwickeln, Haltungen erkennen und annehmen, Rollen entwickeln, Text mit Markierungen versehen usw.). Am Tag der Aufnahmen überfliege ich dann gern noch einmal den Text, der für den jeweiligen Tag geplant ist, damit ich weiß, was passiert und alles präsent ist. Dann setze ich mich ans Mikro und auf geht die Reise…
Das ist zumindest der Idealfall. Meist bleibt aber bedingt durch einen vollen Terminkalender oder einmal eine Erkältung etc. nicht ganz so großzügig Zeit. Dann muss man alles ein wenig schneller machen, sich ein wenig auf seine Erfahrung verlassen und auf ein tolles Aufnahmeteam.
Text und Interview: Peter Elwe