
Radu´s Gaming Corner: The Witcher- eine Retrospektive
Happy Birthday, Geralt! Dank der Spiele von CD Projekt haben die Bücher des polnischen Autoren Andrzej Sapkowski die Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen. Die Abenteuer des Hexers Geralt, seiner Ziehtochter Ciri und seinen Gefährten haben weltweit für Begeisterung gesorgt und sich felsenfest in die Popkultur einbetoniert. Sowohl Bücher, als auch die Spiele, Serien und Comics erzählen Geschichten aus der Welt des Witchers. Vorhang auf für eine kleine Retrospektive über Geralt, Gwent und Netflix.
Wir schreiben das Jahr 2007. Ich richte mich in meiner neuen Wohnung ein und starte in einen neuen Lebensabschnitt. Während der größte Teil meiner Behausung recht spartanisch aussieht (keine Küche, Fernseher und ein Bett), erfreut sich mein Arbeitszimmer an einer Vollausstattung (Tisch, Stuhl, CD-Regal und PC). Eines Tages schlenderte ich durch unser örtliches Möbelgeschäft, bei dem auch ein Elektronikhändler integriert war. Eigentlich wollte ich eine Couch kaufen, verirrte mich jedoch in der Spieleabteilung sah zum ersten Mal das Cover von „The Witcher“. Die Screenshots auf der Rückseite sahen interessant aus und irgendwas an der Geschichte reizte mich, ohne den genauen Grund erklären zu können. Also auf gut Glück gekauft, installiert und sehr schnell an der Seite von Geralt ins Abenteuer eingesogen worden.
Ein Hexer, der sein Gedächtnis verloren hat. Eine hübsche Zauberin (willkommen im Team Triss), ein Professor, der etwas Wertvolles aus der Hexer Festung Kaer Morhen stiehlt und gleichzeitig einen meiner Hexerbrüder tötet; eigentlich eine sehr gute Ausgangslage, aber CD-Projekt haben aus der Geschichte so viel mehr rausgeholt als ich ahnen konnte. Es entspinnt sich eine Geschichte, die ich nicht einmal ansatzweise spoilern möchte, aber sehr viele Parallelen zu den Romanen von Andrzej Sapkowski aufweist. Beim Blick auf die Technik wird man heute müde lächeln; damals in Sachen Grafik sehr gut, wurde die Geschichte aber beim Betreten jedes Gebäudes von einem Ladebildschirm unterbrochen. Die Zwischensequenzen waren für damalige Zeiten gut, sind jedoch nur teilweise gut gealtert. Die Sprecher haben einen sehr guten Job gemacht und der Soundtrack und die Atmosphäre deuten bereits sehr gut an, zu welchen Großtaten das noch junge Entwicklerstudio CD Projekt in der Lage sein wird. Die Kampfmechanik war bereits innovativ, auch wenn sie sich sehr hölzern spielte; so konnte man zwischen 3 Angriffen wählen: harter Angriff, schneller Angriff und Gruppenkampf. Auch die Wahl zwischen Silberschwert (für Monster) und Stahlschwert (gegen menschliche Gegner) war wichtig, da man sonst nur wenig Schaden verursachte. Aufmotzen konnte man die Schwerter temporär, indem man sie mit unterschiedlichen Ölen bestrich, die zusätzlichen Schaden verursachen. Die Öle (und noch viele weitere Gegenstände) konnte man mit Alchemie herstellen, was ein essenzieller Teil des Spiels war. Kräuter sammeln, Rezepte kaufen und selbst brauen während einer Meditation macht heute noch Spaß und wurde auch bei aktuelleren Titeln (Beispiel: Kingdom Come: Deliverance II) perfektioniert. Auch wenn man den Protagonisten Geralt aus den Büchern spielt, so bat der Talentbaum eine große Vielfalt an Möglichkeiten, sich seinen eigenen Geralt individuell zusammen zu stellen. Das macht sowohl für den Spielstil als auch atmosphärisch einiges her. Auch die Entscheidungsfreiheit war bereits im ersten Teil ein sehr wichtiger Bestandteil des Spiels; je nach Entscheidung, entwickelt sich das Spiel in eine unterschiedliche Richtung und die Leute reagieren anders auf Geralt; in dem Ausmaß war das anno 2007 schon ein sehr gutes Aushängeschild für das Studio. Auch die Gegner, die aus slawischen Märchen stark inspiriert wurden, wurden sehr gut designt und tragen nicht nur zur Atmosphäre, sondern auch zum Ausprobieren unterschiedlicher Kampfstile bei. Insgesamt saß man nach dem Abspann vor dem Bildschirm und bekam einen Hinweis darauf, dass die Geschichte von Geralt nicht abgeschlossen war.
Die Entwickler sind bereits seit ihren Anfängen mit Herzblut an die Witcher Saga rangegangen und halten sie auch weiterhin am Laufen. Nachdem ich später den zweiten Teil gespielt hatte, wollte ich den ersten nochmal erleben und war überrascht, mit welchen (kostenlosen!) Updates und Inhalten CD Projekt mich verwöhnten. Eine neue Geschichte, viele Hintergrundinfos und einen Arenakampf hatte man integriert und mir damit gezeigt, dass man die Fancommunity und die Welt von Geralt gleichermaßen schätzt.
Mittlerweile war ich angefixt vom ersten Teil und konnte den Release des Nachfolgers kaum erwarten. Am 17. Mai 2011 war es endlich soweit und ich hatte die Collector´s Edition in den Händen. Schnell installiert, das Telefon ausgeschaltet und los ging die Reise. Grafisch wurde eine Schippe draufgelegt und bereits vor Spielbeginn freute es mich sehr, dass man den Spielstand vom ersten Teil importieren kann. Dadurch werden sämtliche Entscheidungen aus dem ersten Teil übertragen und die Figuren reagieren entsprechend auf Geralt. Besonders schön: das Spiel erzählt die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven; je nachdem, ob man sich für Iorweth oder Roche entscheidet. Egal ob Entscheidungsfreiheit, humoristische Einlagen („Komm doch runter und fang ihn selbst mit deinem Yrden“) oder die Wahl des kleineren Übels (wird sich ein Pogrom ereignen, oder nicht?); hier haben sich die Geschichtenerzähler von CD Projekt Mühe gegeben, jeden Schritt, jede Entscheidung und jede Dialogoption mit einer tiefgründigen Geschichte zu versehen. Auch hat man hier die Möglichkeit, eine Romanze einzugehen, ohne jedoch die Liebessammelkarten eines Witcher 1 zu Sammeln (lustig, aber auch unnütz). In jeder Hinsicht hat man sich hier Gedanken um die Weiterentwicklung gemacht; grafisch, Darstellung der Figuren (ich bin definitiv Team Triss und ein Fan von Zoltan und Rittersporn), Talententwicklung und Kämpfe. Auch die Verstrickung in politische Entwicklungen wurde hier sehr gut umgesetzt und wer die Bücher gelesen hat, wird besonders schön mit den Charakteren der Zauberinnenloge konfrontiert.
Hand aufs Herz: bei einigen Veröffentlichungen bin ich heute noch sehr aufgeregt und stelle mir Mitternacht den Wecker, um es bei Veröffentlichung spielen zu können. Bei Witcher 3 wurde der Release dann noch um ein Jahr verschoben. Als es dann so weit war, zählte ich die Stunden und am Tag des Releases brach mein Sozialleben endgültig zusammen. Ich hatte im Vorfeld bereits die Ehre, Hand an das Spiel zu legen und wusste, dass es großartig werden würde. Die Bandbreite übertraf dann jedoch alles, was ich bis dato erlebt hatte. Die Spielwelt trotzte nur so vor unendlichen Möglichkeiten, jede noch so kleine Nebenquest wartete mit einer packenden Geschichte auf und bis heute finden sich noch Easter Eggs (Dark Souls Leuchtfeuer unter der Brücke) oder Schätze (einmal mit dem Fernrohr zwischen zwei Bergen linsen, um den Schatz zu finden), die es zu entdecken gilt. Wie oft habe ich die Hauptstory vergessen, weil ich mich mal wieder im Kartenspiel GWENT verloren hatte (auch empfehlenswert: GWET Thronebreaker bei GOG), oder einfach nur auf Plötze die Landschaft bestaunt hatte. Man muss nur den „Roten Baron“ erwähnen und der Stich ins Herz erfolgt sofort, denn diese Quest ging derart in die Emotionen, wie es sich kaum ein Videospiel getraut hat (abgesehen vielleicht von „The last of Us“). Inhaltlich begegnen wir endlich Yennefer aus den Büchern und suchen unsere Ziehtochter Ciri, die wir auch Spielen können (kurzer Ausblick auf „Witcher 4“) Auch die Tatsache, dass Ciri Geralt von ihrer Zeitreisen Vision erzählt hat, in der das später erschienene Cyberpunk beschrieben wird, ist schon eine Klasse für sich. Ich muss gar nicht mehr viel über die Vorzüge von „Witcher 3“ sprechen, es gibt eine eindeutige Empfehlung, sich dieses Spiel dringend zu besorgen. Auch die DLC´s sind definitiv Pflichtprogramm, um Geralt in den würdigen Ruhestand zu schicken und auch den Bezug des Romanautoren Andrzej Sapkowski zu slawischen Märchen (Stichwort: Das makabere Schicksal von Rapunzel in der Märchenwelt) zu unterstreichen. 10 Jahre sind seit dem Release vergangen und dank regelmäßiger Updates ist auch heute ein Spieldurchgang ein Erlebnis, das seinesgleichen sucht.
Thronebreaker – The Witcher Tales
Eigentlich hätte ich Ciri schon viel früher finden können. Allerdings kamen mir Nebenquests (Gruß an Skyrim), die schöne Spielwelt und ein Kartenspiel in die Quere, das mich leider süchtig gemacht hat. Die rede ist von Gwent, das so einen großen Erfolg verbuchte, dass man auch ein physisches Kartenspiel daraus machte. Die Begeisterung dafür war ungebrochen und so entschloss man sich, ein ganzes Spiel daraus zu machen, dass eine packende Geschichte und Kämpfe im Gwent Stil beinhaltet. Die Spannungen zwischen dem machthungrigen Kaiserreich Nilfgaard und den stolzen Nördlichen Königreichen verschärfen sich. Im Angesicht einer drohenden Invasion muss sich Meve, die kriegserprobte Königin von Lyrien und Rivien, wieder auf den Kriegspfad begeben. Hier wurde bereits bewiesen, dass Geralt nicht immer der Hauptcharakter sein muss, sondern dass die Welt von The Witcher sehr viel Potential hat, packende Geschichten zu erzählen. „Thronebreaker“ macht auch heute noch sehr großen Spaß, wobei die Grafik derart zeitlos ist, dass man dem Spiel das Alter gar nicht anmerkt. Wer sich richtig austoben möchte, kann locker mehr als 30 Stunden Gameplay füllen und muss auch zwischendurch Entscheidungen treffen, die weitreichende Konsequenzen haben. Parallelen zu den Büchern und den Spielen werden hier auch geschlagen, so dass man hier bewusst tiefer in die Welt eingesogen wird. Definitiv (mindestens) einen Spieldurchgang wert! Erwähnt werden sollte ebenfalls, dass man auch Gwent- The Witcher Card Game spielen kann, ohne ein episches Abenteuer, aber mit viel Spaß an Taktik und Glück.
Auf der GAMESCOM 2018 führte ich übrigens ein schönes Interview mit CD PROJEKT, das ihr hier finden könnt.
Der Erfolg der Spiele griff wie ein Lauffeuer um sich und auch viele Frauenherzen schlugen bei dem Namen „Geralt“ schneller. Kein Wunder, dass sich Netflix die Rechte für eine Serie krallte und den besten Geralt für diese Rolle an Bord nahm (danke Henry Cavill!). Auch wenn die Reihenfolge der Geschichten verwirrend und für Nichtkenner der Romane sehr zähflüssig war, so konnte man den Charme der Bücher (nicht des Spiels) sehr gut auffangen. Umso tragischer, dass man Henry Cavill für die aktuelle Staffel nicht mehr an Bord hat und die Produzenten nicht einmal die Bücher gelesen haben. Die Zukunft wird zeigen, ob diese Serie weiterhin überlebensfähig ist. Auch einen Anime Film über Geralts Ziehvater Vesemir gibt es (The Witcher: Nightmare oft he Wolf“) und die Vorgeschichte „The Witcher: Blood Origin“(alleine wegen der Zwergin Medlof mit ihrem Kriegshammer absolutes Pflichtprogramm!) bei Netflix.
Dark Horse Comics haben den Weg geebnet und mittlerweile hat sich auch der Heyne Verlag eingebracht, um die Kurzgeschichten von Geralt („Der letzte Wunsch“, "Das kleinere Übel“ und „Der Hexer“) mit schönen Illustrationen nachzuerzählen. In Sachen Merchandise gibt es Shirts, Tassen, Statuen und noch weitere Goodies rund um Geralt zu erstehen. Im September 2025 kommt endlich die deutsche Version von Andrzej Sapkowskis „Kreuzweg der Raben“ (Vorgeschichte zu Geralt) auf den deutschen Markt. In Polen ist das Buch bereits seit einem Jahr erhältlich und ähnliches Schicksal hatten auch die vorangegangenen Bücher bei ihrer Veröffentlichung. Abseits vom Witcher Universum ist auch die „Narrenturm“ Trilogie des Autors sehr empfehlenswert. Insgesamt kann man ohne Übertreibung sagen, dass The Witcher zu einem festen Bestandteil der Fantasy- und Popkultur geworden ist. „Witcher 4“ wurde bereits enthüllt, wird jedoch noch einige Jahre mit dem Release beschäftigt sein. Außerdem soll ein Remake des 1. Witcher teils in Arbeit sein. Eine gute Gelegenheit also, „Witcher 3“ zum 10. Geburtstag zu gratulieren und erneut einen Besuch zu gönnen. Liebe Grüße an Plötze und immer dran denken: Geralt hasst Portale!