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Open World- eine Hassliebe

Ich: „Open World- das ist so gar nichts für mich- riesige Welten, in denen ich mich nur verirre, keine Queststruktur habe und dann noch über 100 Stunden meiner Lebenszeit versenke. Da widme ich mich doch lieber Spielen, die mich mit klaren Zielen abholen, in denen ich weiß, was ich zu tun habe und wo ich nicht so viel Lebenszeit investieren, muss.“ Auch ich (auf die Frage, nach meinen All Time Lieblingsspielen): „Skyrim, Witcher 3,Elden Ring, Assassin´s Creed Odyssey.“ Bitte suchen Sie den Fehler …  

Meine Beziehung zu Open World Spielen ist kompliziert; einerseits schrecken mich endlose Welten ab, in denen ich meine Geschichte selbst zusammenpuzzeln muss (Elden Ring). Auch das Abarbeiten von Aufgaben raubt mir langfristig den Spielspaß und überfordert mich mit der Open World (Assassin´s Creed- Valhalla). Andererseits lasse ich mich gerne von attraktiven Nebenquests von meinem Pfad ablenken (Skyrim), von der vielfältigen Beschaffenheit Myrtanas faszinieren (Gothic 3) oder durch verschiedene Gegenden auf dem Pferd reisen, um meine Geschichte voranzutreiben (Witcher 3). Was macht also den Charme einer Open World aus und wo liegen die Gefahren? Vorhang auf für meine Hassliebe zur Open World:

Zu viele Ambitionen (Gothic 3)

Meine erste Begegnung mit der Open World dürfte mit Gothic 3 gewesen sein; es wurde im Vorfeld viel versprochen und eine riesige Welt entworfen, durch die ich gerne gereist bin. Die unterschiedlichen Beschaffenheiten (Eis, Wüste und Wälder) beherbergten viele interessante Quests und Charaktere und ich versenkte einige Spielstunden darin. Allerdings gab es auch viele Momente, in denen ich endlos rumgelatscht bin und mir einen Teleportstein gewünscht hätte. Später bekam man sie zwar, aber in Verbindung mit den teils mittelmäßigen Quests, all zu langen Wanderungen und dem berüchtigten Bugfest, verhagelte es mir auf Dauer die Spielfreude. Mittlerweile wurde Gothic 3 zwar sehr gut gepatcht und es fühlt sich wie ein vollwertiges Spiel an, aber in der Zwischenzeit hat die Konkurrenz nicht geschlafen. Nichtsdestotrotz lohnt es sich für mittlerweile kleines Geld als Fan der Serie einen Abstecher in die offene Welt zu machen; denn in eben jenen Wäldern gibt es eine Anhöhe mit einer Hütte, von der man einen herrlichen Blick auf die Welt hat, der sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt hat. Sollte es diesen Ort wirklich geben, wäre es definitiv eine Überlegung wert, dorthin zu ziehen.

Konzentration auf- oh schau mal, eine Höhle (Skyrim)

Wie oft kann man sich eigentlich von einer Hauptquest ablenken lassen? Ich würde sagen: problemlos über 100 Stunden, ohne es zu bereuen. Hatte mir Elder Scrolls Oblivion schon einen sehr guten Eindruck einer Open World gemacht, fesselte mich Skyrim aufgrund seines optischen Eindrucks und Drachen sehr schnell. Hier greifen Spielmechanik, liebevoll gestaltete Spielwelt und abwechslungsreiche Quests optimal ineinander und lassen mich mehrere Tage nicht mehr den Rechner abschalten. Unterm Strich ist die Hauptstory eher mittelmäßig, wird aber durch die vielen charismatischen Nebengeschichten einer elbendigen Spielwelt sehr gut kaschiert. Endlos viel mit dem Bogen geschossen und Truhen geknackt? Skills verbessern sich, indem man es oft anwendet. Rüstungen schmieden, einer Diebesgilde beitreten oder die Nachtigall entdecken? Immer wieder gerne. Selbst meine sonst eher gemiedene Klasse der Magier zelebriere ich gerne jederzeit wieder und wenn ich in die großen Städte möchte, ist die Schnellreiseoption immer da, wenn man sie braucht. Definitiv eine Open World, der ich immer wieder gerne einen (längeren) Besuch abstatte.

Aufgaben, Aufgaben und noch mehr Aufgaben (Assassin´s Creed)

Die Assassin´s Creed Reihe und ich ist mindestens so kompliziert, wie meine Open World Beziehung. Ich möchte sie gerne mögen, aber irgendwie schaffen wir es nicht, zusammenzukommen. Bekam ich keinen Zugang zu den ersten Teilen, hatte ich mit Black Flag einen weiteren Versuch gestartet, der jedoch verpuffte. Zu groß war die Welt für mich und endlose Questmarker überforderten mich schnell und schon war ich raus. Später versuche ich es mit Origins, das mich durch seine Grafik und mit der ägyptischen Geschichte schnell abholte. Hier entdeckte ich viele Dinge und konnte mich dank der Thematik schnell einfinden und ließ mich ganz in der Welt versinken. In Odyssey wurde es noch extremer, da ich ein großer Fan der griechischen Mythologie bin. Gegen den Minotaurus selbst und die Medusa kämpfen? Allein das ist für mich der Grund, mich gerne durch mehrere Quests zu quälen, eine riesige Open World mit Pferd und Adler zu erkunden und auch noch so viele Details zu entdecken, die ich sonst nur aus Geschichtsbüchern kannte. Valhalla interessiert mich zwar von der Thematik her, hat mich aber irgendwie nach 10 Spielstunden verloren, da die Aufgabenmasse mein Interesse überholt hatten.

Hinter jeder Geschichte lauern mehr Geschichten (Witcher 3)

Nachdem ich die ersten beiden Teile durchgesuchtet und alle Bücher verschlungen hatte, war ich sehr hungrig auf den dritten Teil der Geralt Saga. Wenn CD Projekt etwas herausragend können, dann ist es Geschichten zu erzählen. Nur allzu gern stürzte ich mich in die Open World nach neuen Geschichten und wurde auch nur selten enttäuscht. Das Kampfsystem und die Detektivarbeit mit dem Hexersinn war für mich zwar nicht gerade packend, aber dafür musste ich bei der Baronquest schwer schlucken, bei der bürokratischen Suche nach dem Passierschein A 38 herzlich lachen und bekam eine durchgehende Gänsehaut, als ich Ciri endlich gefunden hatte. Ja, auch das Durchstreifen der riesigen Welt fiel mir schwer und das eine oder andere Mal war ich erneut überfordert, aber mit der Aussicht auf einer guten Geschichte hatte ich sehr lange Spaß. Gleiches gilt übrigens auch für Cyberpunk 2077, wobei mir da die Spielmechanik sogar noch mehr Spaß gemacht hat,

Auf die Fresse- aber mit Stil (Elden Ring)

Als langjähriger Dark Souls Masochist habe ich mich natürlich sehr über den Release von Elden Ring gefreut; ein riesiger Spielplatz voller abwechslungsreicher Kreaturen, atemberaubenden Schauplätzen und tonnen weise Gehheimnisse, die ich wahrscheinlich bis heute nicht ganz erkundet habe. Dennoch hatte ich hier besonders einige Probleme, da es keine lineare Geschichte gibt und ich an mehreren Stellen ohne Hilfe nicht weitergekommen wäre. Zweimal war ich kurz davor das Spiel abzubrechen, weil ich nicht wusste, was zu tun war, ehe sich durch Zufall oder Nachschlagen doch noch ein völlig neuer Weg aufgetan hatte. Als ich dann weiterkam, waren die nächsten Spielstunden gesichert und der Spaß wieder auf Betriebstemperatur. Aber in Kombination mit herausfordernden Kämpfen war es recht anstrengend; ob ich mich auf den DLC freue? Aber sowas von!

Wenn Entdecken zur Leidenschaft wird (Dragon´s Dogma 2)

Kommen wir zum eigentlichen Grund dieses Artikels, denn Dragon´s Dogma 2 hat mich eiskalt erwischt. Den ersten Teil hatte ich angespielt, wurde aber dann immer wieder von Neuerscheinungen abgelenkt und habe es nie vollendet. Es sah aber so interessant aus, dass ich zum Release hin zugeschlagen hatte und eine neue Beziehung zur Open World aufgebaut hatte; wenn sie mit Liebe gestaltet ist, mit epischen Kämpfen gespickt ist und man für das Erkunden belohnt wird, dann kann mich sowas auch durchaus lange bei der Stange halten. Die Hauptgeschichte ist OK, das Ende ist extrem gut inszeniert und birgt noch einige Geheimnisse, die ich so nicht erwartet hätte. Es macht einfach Spaß, mit seinen Vasallen durch die Gegend zu ziehen und alles zu erkunden. Man muss auch seine Vorstellungskraft gebrauchen, denn so charismatisch wie bei einem Baldur´s Gate 3 sind die Charaktere definitiv nicht. Wenn man aber keinen Questmarker hat, die Welt vor lebendiger Atmosphäre strotzt (Überfall auf den Ochsenkarren oder teilweise extrem knackige Kämpfe in der Nacht), dann gießt das Feuer in meine Langzeitmotivation und hinterlässt auch lange nach dem Abspann ein gutes Gefühl.

Fazit: Brauche ich wirklich eine Open World? Eigentlich bin ich in meiner linearen Singleplayer Bubble sehr glücklich; wenn schon Open World, dann aber bitte mit einer lebendigen Spielwelt, gut geschriebenen Geschichten und einer großen Packung Langzeitmotivation. Die Größe der Spielwelt ist für mich nicht entscheidend; dann lieber kleiner, aber mit guten Ideen gefüllt.

Sebastian Radu Groß