
Der Leben des berühmtesten Buddhisten der Welt
Am 6. Juli 2025 feierte der 14. Dalai Lama, Tenzin Gyatso, seinen 90. Geburtstag. Über die Jahrzehnte hat das geistige Oberhaupt der Tibeter dutzende Bücher veröffentlicht – nun haben der Autor Tom Taylor und der Zeichner Matyáš Namai ihm selbst ein besonderes Denkmal gesetzt: Nichts Geringeres als eine durch den Dalai Lama selbst autorisierte Comic-Biografie.
Die Idee dazu entstand während des COVID-Lockdowns, daraus folgte ein Brief an das Büro seiner Heiligkeit, dann die Zusage – im Anhang des Bandes sieht man die Übergabe des Comics an den Dalai Lama persönlich.
Auf Deutsch bei Knesebeck erschienen, gibt „Das Leben des Dalai Lama – Die offizielle Graphic Novel“ (im Original „The Path of the Dalai Lama“) Einblicke in den Werdegang des Friedensnobelpreisträgers.
1935 als zweiter Sohns einer Bauernfamilie in einem Dorf im Nordosten Tibets geboren, wurde er im Alter von knapp zwei Jahren von Mönchen als Wiedergeburt des 1933 verstorbenen 13. Dalai Lama Thubten Gyatsho aufgefunden. „Ich verstand nicht, was es bedeutete, der Dalai Lama zu sein. Ich war nur ein kleiner Mönch unter vielen“, zitiert der Comic seine Erinnerungen an das anschließende Aufwachsen im Kloster.
Ja, anders als viele der Comicbiografien, die ja bei Knesebeck seit Langem eine Heimat gefunden haben – unter anderem zu Charles Darwin, Immanuel Kant, Charlie Chaplin oder den Gebrüdern Walt und Roy Disney – ist dieses Biopic vollständig aus der Ich-Perspektive erzählt. Ein Comic-Memoire sozusagen, was freilich auch den Anspruch auf eine objektive Erzählweise obsolet macht.
Relevant wird das spätestens mit der chinesischen Invasion Tibets im Jahr 1950: Sehr detailliert wird der Aushandlungsprozess – ein freilich sehr ungleicher – mit der chinesischen Besatzungsmacht geschildert. Nein, an Textpassagen mangelt es dieser Graphic Novel definitiv nicht. Der junge Dalai Lama trifft Mao persönlich, ist sogar beeindruckt von den vermeintlichen Fortschritten in China. Aber für die Freiheit Tibets erreicht der damals Anfang 20-Jährige nichts. Die kommunistischen Besatzer konfiszieren Land, erheben neue Steuern, demütigen die von ihnen verachteten Mönche und Nonnen. Dagegen regt sich immer mehr tibetischer Widerstand, der umso grausamer beantwortet wird. Das spirituelle und weltliche Oberhaupt Tibets beschließt bald darauf, die Hauptstadt Lhasa zu verlassen und flieht nach Indien – wenig später kommen Tausende Tibeter ebenfalls als Geflüchtete dort an.
An dieser Stelle sind bereits gut zwei Drittel des Comics vorbei. Die restlichen Seiten widmen sich der Zeit im Exil: seinen Bemühungen zur Bewahrung tibetischer Sprache, Kunst und Medizin außerhalb der Heimat; den diplomatischen Bemühungen des inzwischen erwachsenen Dalai Lamas für ein internationales Bewusstsein über die Situation seines Heimatlandes. Und um Anerkennung, vor allem in Europa und den USA. 1989 erhält der den Friedensnobelpreis für seine konsequente Botschaft der Gewaltlosigkeit.
Die Comic-Panels aber füllen sich immer wieder mit Bildern der Unterdrückung, Umerziehung, Erniedrigung. Selbstverbrennungen von Mönchen. Dieser Comic ist also nichts für schwache Nerven. Zugleich wirft er unterschwellig eine brisante Thematik auf, die mit Blick auf den 90. Geburtstag dieses Mannes noch einmal ins Gedächtnis gerufen wird: „Der gewaltlose Kampf des tibetischen Volkes muss weitergehen, auch wenn ich nicht mehr da bin.“
FRANK KALTOFEN

Autor: Tom Taylor
Zeichner: Matyáš Namai
Verlag: Knesebeck
Seiten: 96
Erscheinungsdatum: veröffentlicht