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Wir müssen über Geld sprechen

Mehr Steuergerechtigkeit für mehr Demokratie: TOXISCH REICH von Autor Sebastian Klein ist ein Sachbuch, das politisch viel Sprengkraft besitzt.

Im Bundeshaushalt klaffen Löcher in Milliardenhöhe. Wie sollen diese gefüllt werden? Weniger Ausgaben für Sozialleistungen, ist häufig die Antwort. Gespart werden soll also bei Menschen, die ohnehin nichts haben. Und warum? Weil sie über keine Lobby verfügen. Den Superreichen hingegen, die in einflussreichen Verbänden vertreten sind, lächeln milde darüber: Immer stärkere Befreiungen von der Erbschaftssteuer wurden in den letzten Jahrzehnten gewährt, die Vermögenssteuer ist seit 1995 ausgesetzt – und der Steuersatz von Spitzenverdienern (ab 280.000 Euro/Jahr) ist bei 45% gedeckelt. Doch genau hier steckt das in Deutschland enorm ungleich verteilte Geld – und keine Partei traut sich ran, schließlich ist das nicht im Interesse reicher Spender*innen. 

Pünktlich zur Bundestagswahl trifft TOXISCH REICH – WARUM EXTREMER REICHTUM UNSERE DEMOKRATIE GEFÄHRDET einen Nerv, denn das Sachbuch bietet gute Argumente für seine titelgebende These. Wenn die Unterschiede zwischen Arm und Reich weit auseinanderklaffen (die reichsten 5% der Deutschen besitzen übrigens mehr als die übrigen 95% zusammen), gerät der Narrativ der „Leistungsgesellschaft“ in Wanken, sinkt die Wahlbeteiligung armer Menschen. Die Unzufriedenheit, die Politikverdrossenheit, das Misstrauen ins demokratische System und das Bedürfnis nach Identität steigen, was populistische Parteien stärkt. Ärmere Menschen müssen für kleine Delikte häufiger ins Gefängnis, weil ihnen das Geld für einen Anwalt fehlt, der Strafbefehlen juristisch wirksam widerspricht – und Sozialleistungsbetrug wird bei gleicher Schadenssumme vom Gesetzgeber ungleich härter bestraft als Steuerhinterziehung. 

Autor Sebastian Klein, der selbst mit der Entwicklung der App Blinkist und ihren Verkauf zum Millionär wurde, bevor er 90% seines Vermögens gemeinnützig widmete, holt in TOXISCH REICH zum Rundumschlag aus: ineffiziente Privatisierung des Gesundheitswesens, unnötige Bürokratie bei Unternehmensgründungen, unsinnige Steuerentlastungen für den reichsten Teil der Bevölkerung für vermeintlich wichtige privatwirtschaftliche Investitionen. Die Realität sieht anders aus: Weil Rendite im Fokus steht, stecken übermäßig Reiche ihr Geld nur selten in fortschrittliche Technologien, hinterlassen aber auch dadurch einen riesigen CO2-Fußabdruck. Dabei erhält Klein prominente Unterstützung u.a. von Klimaaktivistin Louisa Schneider, Politökonomin und Tranformationsforscherin Maja Göpel oder Marcel Fratscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Dessen alarmierende Feststellung: „Es gibt kein Land der Welt, das Arbeit stärker und Vermögen geringer besteuert als Deutschland.“

Mit „Take-Away“-Zusammenfassungen, Zitaten und Illustrationen in einer leuchtenden Schmuckfarbe wird dieses Plädoyer für mehr Chancengleichheit, Gemeinwohl und Verantwortungseigentum (ohne Stimme von Investor*innen im Unternehmen) optisch aufgelockert. Eine schlüssige Analyse und praktische Anleitung dafür, wie wir eine starke Demokratie erhalten können – die in zahlreichen Ländern Europas wegen der analysierten Probleme bereits beschädigt wurde.

LUTZ GRANERT

Titel: TOXISCH REICH – WARUM EXTREMER REICHTUM UNSERE DEMOKRATIE GEFÄHRDET
Autor: Sebastian Klein
Verlag: oekom verlag
Erscheinungsform & Seitenzahl: Softcover, 208 Seiten
Veröffentlichungstermin: bereits erschienen

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